Aus- und Weiterbildung, Forschung und Kooperationen

1000 und eine Fassade

Mittwoch, 22. März 2017 | 13:17 Uhr

Bozen – Eine Fassade erinnert an einen gläsernen Bienenstock, die andere verbindet Holz mit Glas: Diese beiden innovativen Lösungen für Gebäudefassaden wollten die Unternehmen Frener & Reifer aus Brixen und Tip Top Fenster aus Mühlbach näher vertiefen. Um das Potenzial und die kritischen Punkte bei der Konstruktion dieser Fassadenlösungen auszuloten, haben sich die Unternehmen an zwei Experten gewandt, die sich zum Thema Fassadenbau beim Kurs „Face“ weitergebildet haben. Diese Weiterbildung für Profis im Bereich Fassadenbau wurde von IDM Südtirol und Eurac Research organisiert, umfasste 120 Unterrichtsstunden und wurde letzte Woche abgeschlossen. Der Kurs ist nur eine der Strategien, mit denen Südtirol den Bereich Fassaden stärken will. Weil dieser Sektor ein besonders hohes Potential an Innovation und Nachhaltigkeit in sich birgt, ist er Forschungsgegenstand von Eurac Research, einer Gruppe von Unternehmen, die von IDM koordiniert wird, und eines EU-Projekts, bei dem Italien und Österreich beteiligt sind.

“Fassaden können die Energieeffizienz eines Gebäudes erhöhen und für Behaglichkeit im Gebäudeinneren sorgen. Deshalb ist das ein Bereich, in den man in Südtirol – dem Heimatland des KlimaHauses – immer mehr investiert“, sagt Stefano Prosseda vom Ecosystem Bau bei IDM. So kann etwa das Unternehmen Frener & Reifer dank Face-Kurs die Kosten für die Realisierung seiner Fassade senken und neue Märkte erobern: „Alice Ancillotti vom Politecnico Mailand hat im Rahmen dieses Kurses die neue Technologie des sogenannten Honeycomb Glass Panels – einer Glasscheibe mit Bienenwaben-Muster – des Hotels Berkeley in London genau analysiert“, erklärt Carlo Battisti, Koordinator der Arbeitsgruppe Fassaden und Gebäudehüllen von IDM Südtirol, der den Kurs gemeinsam mit Eurac Research organisiert hat. Diese Analyse und das Know-how, das ihr im Kurs vermittelt wurde, brachten die Fassadenexpertin zu dem Schluss, dass die Brixner Firma ihre Ressourcen optimaler einsetzen könnte, wenn sie anstatt der klassischen Systeme für die Konstruktion von Fassaden und Gebäudehüllen diese neue Technologie anwendet. Stefano Fasiolo hingegen nahm an der Fortbildung teil, weil er ein bereits bestehendes Produkt weiterentwickeln und verbessern wollte: Der Ingenieur der Firma Tip Top Fenster beschäftigte sich deshalb während des Kurses intensiv mit der Vorhangfassade aus Holz und Glas, die sein Unternehmen bereits produziert. Dank dem neu erworbenen Know-how ist die Fassade von Tip Top Fenster nun perfekt mit dem Gebäude verbunden und hält so noch besser Wasser und Luft stand. Zudem kann man der Fassade auch verschiedene geometrische Formen verleihen.

Die Projekte von Alice Ancillotti und Stefano Fasiolo sind nur zwei von insgesamt zwölf technischen Lösungen, die letzte Woche bei der Abschlusstagung von Face im Sitz der Abteilung Development von IDM vorgestellt wurden. 120 Stunden lang wurden 15 Experten aus ganz Italien von Oktober 2016 bis Februar 2017 in die Geheimnisse innovativer Fassaden-Technologien für Gebäude eingeweiht. Sie waren nach Südtirol gekommen, weil das Land mittlerweile immer größere Kompetenz und immer mehr Know-how im Sektor „Green“ aufzuweisen hat. Unternehmen und Institutionen arbeiten seit langem daran, die Strategie des Klimaplans “Energie-Südtirol 2050” des Landes Südtirol umzusetzen. Dieser Plan sieht vor, dass der Ausstoß von CO² pro Kopf und Jahr innerhalb 2020 nicht mehr als 4 Tonnen betragen und spätestens bis 2050 auf maximal 1,5 Tonnen sinken soll.

Im Rahmen dieser Strategie bekommen die lokalen Unternehmen in Südtirol von mehreren Seiten Unterstützung: Für den Sektor Fassaden können sie z.B. auf eine Gruppe von Forschern von Eurac Research zählen, die sich speziell dem Thema Energieeffizienz von Gebäuden widmen; zudem können sie an Forschungs- und Entwicklungsprojekten teilnehmen, die von Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam in der Arbeitsgruppe Fassaden und Gebäudehüllen von IDM abgewickelt werden. Seit einigen Monaten können die Südtiroler Betriebe auch zur Entwicklung des Kompetenzzentrums Fassaden für Südtirol und Tirol beitragen, eines im Alpenraum einzigartigen Pilotprojekts, das dank EU-Finanzierung gerade entsteht.

“Seit 2013 testen die Forscher von Eurac Research im Labor für Gebäudehüllen vom thermischen und energetischen Standpunkt her Systeme und Teile für Gebäudehüllen, wie z.B. Fenster und Türen, Wände oder innovative Fassadensysteme. Die Erfahrung, die unsere Forscher in diesem Bereich aufgebaut haben, hilft uns bei der Umsetzung des neuen Kompetenzzentrums“, sagt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie der Eurac. Dieses Zentrum verbindet Italien mit Österreich und wird als Versuchsprojekt im Rahmen des Projekts FACEcamp von IDM, Eurac Research, der Universität Innsbruck und Unternehmen wie glassAdvisor und Frener & Reifer aus Südtirol sowie Bartenbach und Hella aus Österreich umgesetzt. Wenn das Zentrum in drei Jahren voll operativ sein wird, können sich die lokalen Unternehmen an diesen „Hub“ wenden, um Unterstützung in Sachen Forschung und Entwicklung für komplexe Fassaden zu bekommen. Bis dahin konzentrieren sich die Energieexperten von Eurac Research und der anderen Projektpartner auf die Entwicklung von Methoden, um die Eigenschaften von Fassadensystem genau berechnen und messen zu können, ihren Einfluss auf das Ambiente der Gebäude, in den wir leben und arbeiten, abzuschätzen und die Auswirkungen von natürlichen Beleuchtungssystemen auf die Menschen zu studieren, die sich in den Gebäuden aufhalten.

Von: mk

Bezirk: Bozen