Sorge vor wirtschaftlicher Entwicklung

AFI zeigt: Moderate Zuversicht auf dünnem Eis

Mittwoch, 23. Juli 2025 | 13:44 Uhr

Von: Ivd

Bozen – Südtirols Arbeitnehmer blicken weiterhin mit verhaltener Zuversicht auf die kommenden Monate. Der Arbeitsmarkt zeigt sich stabil, aus der Kreditwirtschaft kommen erste Anzeichen einer Erholung. Gleichzeitig mehren sich Signale einer konjunkturellen Eintrübung in Außenhandel und Tourismus. Die finanzielle Lage vieler Haushalte bleibt besorgniserregend: 36 Prozent der Befragten haben Schwierigkeiten, mit dem Lohn über die Runden zu kommen, und 58 Prozent geben an, in den nächsten zwölf Monaten keine Ersparnisse anhäufen zu können.

Die wirtschaftlichen Perspektiven Europas stehen aktuell unter dem Eindruck der anhaltenden Zollverhandlungen zwischen den USA und der EU. Der regelbasierte Welthandel steckt in einer Vertrauenskrise. Während der Russland-Ukraine-Krieg aus den Schlagzeilen verdrängt wird, wächst die Sorge vor einer Eskalation im Nahen Osten. Trotz geopolitischer Spannungen bleibt die Weltwirtschaft auf Wachstumskurs.

Für Österreich wird 2025 eine Rezession prognostiziert, während Deutschland nach jetzigem Stand knapp daran vorbeischrammen dürfte. Dass der europäische Außenhandel bislang kaum beeinträchtigt worden ist, ist nicht zuletzt der erratischen Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump geschuldet – häufig angekündigte Strafzölle wurden zurückgenommen oder aufgeschoben (TACO-Syndrom – „Trump Always Chickens Out“). Der US-Dollar hat seit Jahresbeginn rund 14 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro eingebüßt. Das dämpft zwar den EU-Export, verbilligt aber gleichzeitig den Import, insbesondere von Rohstoffen, die in Dollar quotieren. Inflationäre Tendenzen sind weder bei den Erzeuger- noch bei den Verbraucherpreisen zu beobachten. Nach einem deutlichen Einbruch im April haben sich die internationalen Leitbörsen erholt und liegen zur Jahresmitte wieder für 2025 im Plus. Die Finanzierungskonditionen bleiben für Staaten, Unternehmen und private Haushalte günstig.

Das Ifo München rechnet für 2025 mit folgenden Wachstumsraten: USA: plus 1,4  Prozent. Euroraum: plus 1,0  Prozent. Deutschland: plus 0,4 Prozent und Italien: plus 0,5  Prozent.

Die Eckdaten für Südtirol: Solide Lage, aber nachlassende Dynamik

Im ersten Halbjahr 2025 bleibt der Arbeitsmarkt in Südtirol robust. Die Inflationsrate in Bozen liegt auf unkritischem Niveau (Monatsrate Juni: plus 2,2 Prozent; kumulierte Jahresinflation seit Jahresbeginn: plus 2,5 Prozent), wobei das Gastgewerbe (Monatsrate Juni: plus 5,5 Prozent) als wesentlicher Preistreiber hervorsticht. Die Kreditvergabe zieht nach einer Schwächephase wieder etwas an. Außenhandel und Tourismus hingegen verlieren an Schwung: Sowohl Importe (minus 3,5 Prozent im ersten Quartal) als auch Exporte (minus 0,8 Prozent) liegen unter dem Vorjahresniveau und die Zahl der Nächtigungen stagniert auf einem hohen Level (im ersten Halbjahr, plus 0,6 Prozent zum selben Zeitraum des Vorjahres). Am Arbeitsmarkt nehmen die Festanstellungen und die Arbeit auf Abruf zu, bei gleichzeitig rückläufiger Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse.

Die Stimmung: Knappe Mehrheit noch zuversichtlich

Die Erwartungen der befragten Arbeitnehmer mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung Südtirols in den nächsten zwölf Monaten bleiben verhalten positiv. Der entsprechende Index liegt bei plus sechs, was für eine leicht positive Grundstimmung spricht. Gleichzeitig hat sich die Einschätzung zur eigenen finanziellen Lage verschlechtert. Die Sorge um die Arbeitsplatzsicherheit wächst moderat und auch die Chancen auf eine gleichwertige Anstellung im Falle eines Jobverlusts trüben sich etwas ein. Der „Arbeitnehmermarkt“, der in den letzten Jahren herrschte, verliert an Kraft.

BIP-Prognose für Südtirol: plus 0,8 Prozent im Jahr 2025

Trotz der aktuellen globalen handelspolitischen Spannungen bleibt das Vertrauen der Südtiroler Arbeitnehmer in die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten zwölf Monaten grundsätzlich erhalten. Die Kreditdynamik springt wieder an. Schwache Entwicklung von Außenhandel und Stagnation im Tourismus dürften allerdings für die Südtiroler Wirtschaft nur geringe Konjunkturimpulse liefern. Die finanzielle Lage von Südtirols Arbeitnehmerfamilien zeigt sich angespannt, womit sich eine schleppende Entwicklung der Konsumausgaben abzeichnet. AFI-Direktor Stefan Perini: „Das AFI hält an seiner Wachstumsprognose für 2025 von plus 0,8  Prozent fest. Trotz globaler Unsicherheiten sind bislang keine einschneidenden negativen Entwicklungen erkennbar, die eine Absenkung der Prognose begründen würden.“

 

Erwartete Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Südtirol
AFI 2025
it dem Lohn über die Runden zu kommen
AFI 2025
möglichekeiten in den nächsten zwölf Monaten
AFI 2025

Stellungnahme von AFI-Präsident Stefano Mellarini

„Die Ergebnisse des AFI-Barometers bestätigen uns Gewerkschaften in unserer Rolle, zentrale Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins öffentliche Bewusstsein zu rücken: Es braucht gezielte Lohnerhöhungen, mehr leistbaren Wohnraum und Maßnahmen gegen prekäre Beschäftigung. Nur durch konkrete strukturelle Verbesserungen lässt sich die angespannte finanzielle Lage vieler Familien in Südtirol nachhaltig entschärfen.“

Stellungnahme von Arbeits-Landesrätin Magdalena Amhof

„Im öffentlichen Dienst schaffen wir mit der anstehenden strukturellen Gehaltserhöhung die Grundlage, um die Kaufkraft der Bediensteten auch längerfristig wieder zu stärken. Auch Maßnahmen für attraktive Arbeitsplätze sind gefragt, um den Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. In beiden Fällen kann der öffentliche Dienst auch ein Treiber für ähnliche Entwicklungen in der Privatwirtschaft sein.“

Bezirk: Bozen

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