Petition fordert Verkaufsstopp in deutschen Supermärkten

Deutscher Boykottaufruf für spanische Erdbeeren

Dienstag, 06. Juni 2023 | 15:37 Uhr

“Keine Dürre-Erdbeeren aus Spanien!” Diese Petition der Protestbewegung Campact fordert von den großen deutschen Supermarktketten einen Verkaufsstopp für die roten Früchte aus dem südwestspanischen Huelva – aus Umweltschutzgründen, denn die andalusische Region kämpft mit extremer Trockenheit. Der Aufruf bringt allerdings die Landwirte und Konservativen in Andalusien in Rage – und führte nun auch zur Absage einer Reise von Bundestagsabgeordneten in die Region.

In Huelva werden jährlich 300.000 Tonnen Erdbeeren angebaut, das entspricht über 90 Prozent der gesamten spanischen Erdbeerproduktion, wie Zahlen des Industrieverbands Interfresa zeigen. 100.000 Jobs hängen an dem Sektor in der Region. Deutschland wiederum ist mit jährlichen Käufen im Umfang von 186 Millionen Euro der größte Exportmarkt für die Früchte.

“Selbst im Winter” lägen spanische Erdbeeren in deutschen Supermarktregalen, beklagt Campact. Um diesen Bedarf zu decken, pumpe die spanische Agrarindustrie Unmengen Wasser ab, auch aus dem zum Weltnaturerbe gehörenden Nationalpark Doñana in Huelva. Dieser “illegale Wasserraub” drohe das fragile Ökosystem zu zerstören. Campact richtet sich konkret an die Ketten Edeka, Lidl, Rewe und Aldi und fordert: “Stoppen Sie den Verkauf von Dürre-Erdbeeren.”

Bis Dienstagnachmittag zählte die Petition rund 165.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. Sie richtet sich konkret gegen Gesetzespläne der rechtsgerichteten Regionalregierung in Andalusien zur Regulierung illegal betriebener Beerenfarmen nahe des Nationalparks, dem größten Feuchtgebiet Europas. Gehen die Pläne durch, könnten Umweltschützern zufolge 1.500 Hektar Anbaufläche legitimiert werden, die größtenteils über illegale, oft ungesicherte Brunnen bewässert werden. Insgesamt gibt es in Spanien Schätzungen zufolge mehr als eine halbe Million illegal angelegter Brunnen, in die auch immer wieder Kinder stürzen.

Die Petition sei eine “harte und ungerechtfertigte Attacke auf unseren Agrarsektor”, sagt die spanische Bauerngewerkschaft Asaja. Den Boykottaufruf hält sie für einen “Angriff auf tausende Produzenten und deren Familien, die das ganze Jahr über hart arbeiten”.

Der Branchenverband Interfresa sieht ebenfalls rot und bezeichnet die deutsche Campact-Kampagne als “hinterhältig und schädlich” für die gesamte Erdbeer- und sonstige Beerenindustrie und deren Beschäftigte. Die Kampagne verbreite außerdem Falschinformationen und bezichtige den Sektor “des schweren Fehlverhaltens und illegaler Aktionen”.

Die konservative Volkspartei (PP), die in Andalusien regiert, springt den Landwirten bei. Die Erdbeere aus Huelva sei “unfairen Attacken aus ideologischen Gründen” ausgesetzt, sagt die Landwirtschaftsministerin der Region, Carmen Crespo. Der sozialdemokratischen Nationalregierung von Pedro Sánchez wirft sie vor, Campact zu unterstützen. Das geplante Regionalgesetz verteidigt die PP damit, dass ein Gesetz von 2014 reformiert werden müsse, das 9.000 Hektar illegaler Anbaufläche reguliert, jedoch dabei hunderte Landwirte vergessen habe.

Am Montag spitzte sich der Streit in der Region zu. Eine Gruppe von neun Abgeordneten aller Parteien des deutschen Bundestags traf in Spanien ein – die Delegation des Umweltausschusses beschäftigt sich mehrere Tage lang in verschiedenen Teilen des Landes mit den Themen “Wasserknappheit und Verbraucherschutz”. Eigentlich stand auch die “illegale Wasserentnahme” am Doñana Nationalpark im Fokus der Reise und ein Besuch in Andalusien war ebenfalls geplant.

Dieser Besuch von Abgeordneten, die “die Produktion unserer Landwirte begutachten wollen, vor allem der spanischen Erdbeeren, ist vollkommen inakzeptabel”, polterte die rechtsextreme Partei Vox. Das sei eine “Einmischung, die keine anständige Regierung tolerieren sollte”. Volkspartei und Vox wird immer wieder vorgeworfen, den Klimawandel zu leugnen.

Inmitten dieser Spannungen cancelte die deutsche Delegation schließlich ihren geplanten Trip nach Andalusien – und zwar auch “in Anbetracht der hohen politischen Bedeutung, die die Themen der Reise in den vergangenen Tagen in den bevorstehenden spanischen Nationalwahlen gewonnen haben”, wie die Gruppe mitteilte. Ende Juli finden in Spanien vorgezogene Parlamentswahlen statt.

Als Ersatz habe sich der Umweltausschuss für einen “anderen, umweltpolitisch ähnlich relevanten Programmpunkt entschieden”, hieß es aus dem Büro eines der mitreisenden Abgeordneten. Die Delegation sei einer “Bitte der Regionalregierung nachgekommen, Andalusien nicht zu besuchen”, hieß es aus einem anderen. Die Reise nachzuholen sei derzeit nicht geplant.

Als “fatales Zeichen für den Umweltschutz” bewertet Campact die Absage der Reise nach Andalusien. Den spanischen Wahlkampf als Grund zu nennen, “irritiert doch sehr” – denn die Rettung des Nationalparks sei “wichtiger als Wahlkampf”.

Von: APA/AFP