Von: luk
Bozen – Ein Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns greift Kinder- und Jungendanwältin Daniela Höller ein grundlegendes Thema auf: „Wir müssen der raschen Wiedereröffnung der Mittel- und Oberschulen Priorität einräumen und dürfen dabei nichts unversucht lassen. Auch Sport- und Freizeitaktivitäten sind essentiell für eine gesunde psychische Entwicklung der jungen Menschen. Diesen Raum müssen wir den Jugendlichen geben, sonst drängen wir sie in die Illegalität.“
Kinder und Jugendliche seien von schweren Covid-19-Erkrankungen weniger stark als Erwachsene betroffen. Nichtsdestotrotz hätten sie die indirekten Folgen der Pandemie ungleich stärker gespürt: “Einige junge Menschen litten bereits nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 unter Angst- und Schlafstörungen, Depressionen, Zwangsstörungen und Essstörungen. Zudem gab es Tendenzen zu selbstverletzendem Verhalten, zu aggressivem Verhalten, zu einem höheren Konsum von Alkohol und Drogen und zu Suchterscheinungen im Allgemeinen, auch im Bereich der Internetnutzung. Vor allem Minderjährigen, denen es davor schon nicht gut gegangen ist, geht es in der aktuellen Krisensituation noch schlechter. Was die langfristigen psychischen Auswirkungen der Einschränkungsmaßnahmen bei Minderjährigen anbelangt, sind diese noch nicht abzuschätzen. Hypothesen dazu werden wissenschaftliche Untersuchungen erst in Jahren verifizieren können.” Darauf weist die Kinder- und Jungendanwältin Daniela Höller hin.
„Feststeht, dass Schule mehr ist als ein Ort der Wissensvermittlung. Sie ist ein geschützter Ort mit Tagesstruktur, ein Lebensraum, wo wichtige Sozialkontakte geknüpft werden. Wenn der Präsenzunterricht ausbleibt, haben die Jugendlichen weniger Freundschaften, sie sind zu Hause, können ihren gewohnten Sportaktivitäten nicht mehr nachgehen oder die Musikschule nicht mehr besuchen und geraten unter Druck. Wenn dann auch noch Jugendzentren und -treffs geschlossen bleiben, ziehen sich junge Menschen noch mehr zurück und sind sehr viel Zeit alleine. Dann brechen Themen und Probleme auf, die sie ansonsten über den Alltag kompensieren konnten,“ so Höller. Gerade deswegen seien auch Sport- und Freizeitaktivitäten, wo sich junge Menschen – natürlich unter Einhaltung von Sicherheitskonzepten – bewegen, aktiv bleiben und soziale Kontakte aufrechterhalten, auch so wichtig.
Zu den Kollateralschäden zählten nämlich, neben dem durch den Fernunterricht bedingten Sinken der Bildungschancen und dem bereits genannten Anstieg der Auffälligkeiten und psychischen Erkrankungen, der mit den Einschränkungen der Sport- und Freizeitaktivitäten verbundene Bewegungsmangel sowie die Verschlechterung des Lebensstiles und der Ernährungsgewohnheiten. “Junge Menschen sind also einer Vielzahl von Kollateralrisiken, deren Folgen heute noch gar nicht absehbar sind, ausgesetzt. Der Staat und das Land können mit finanziellen Hilfen dort intervenieren, wo ein bezifferbarer und damit greifbarer Schaden entstanden ist. Andere Schäden können nicht ersetzt werden: Ein 15-jähriger Jugendlicher wird nie wieder 15 Jahre alt sein und das, was er in diesen Monaten verliert, hat er für immer verloren. Die Kindheit und Jugend kann man weder ersetzen noch einfach aussetzen oder verschieben,“ gibt Kinder- und Jugendanwältin Höller zu bedenken.