Unbesicherte Gläubigerforderungen belaufen sich auf 132 Mio. Euro.

Kika/Leiner beantragt Sanierungsverfahren

Montag, 12. Juni 2023 | 23:07 Uhr

Die angeschlagene Möbelkette Kika/Leiner hat unter ihrem neuen Eigentümer Hermann Wieser am späten Montagnachmittag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. Pölten beantragt. Gemessen an den betroffenen Dienstnehmern (rund 3.300) handelt es sich laut dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) um die größte Insolvenz der letzten zehn Jahre in Österreich. Die Gläubigerforderungen (Passiva) belaufen sich laut Kreditschützern auf 132 Mio. Euro.

Zum Vermögen (Aktiva) machte das Unternehmen keine Angaben. Die Möbelkette strebt einen Sanierungsplan zahlbar innerhalb von 2 Jahren an. Die rund 440 Gläubiger sollen eine Quote von 20 Prozent erhalten. Die Insolvenzursachen liegen laut Kika/Leiner unter anderem im erhöhten Preisdruck und nicht eingetretenen Umsatzerwartungen sowie in Lieferverzögerungen aufgrund der Coronapandemie. Auch hätte es bei den Voreigentümern Managementfehler, unwirtschaftliche Kostenkalkulationen und falsche Markenstrategien gegeben.

Anfang Juni hatte die Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko das operative Kika/Leiner-Geschäfts an Wieser und die Möbelgeschäfte-Immobilien an die Supernova Gruppe des deutschen Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert verkauft. Wie bereits angekündigt, sollen von den insgesamt 40 Kika/Leiner-Filialen österreichweit 23 Standorte geschlossen und 1.900 Stellen gestrichen werden.

In den vorläufig geschätzten Passiva in Höhe von 132 Mio. Euro sind folgende Verbindlichkeiten enthalten: 40 Mio. Euro an Lieferantenforderungen, welche jedoch teilweise von einer Versicherung, abgedeckt werden sollen und 42 Mio. Euro an öffentlichen Abgaben und Beiträgen sowie Dienstnehmerforderungen einschließlich der Beendigungsansprüche aus den aufzulösenden Dienstverhältnissen.

Laut Unternehmensangaben können Kika/Leiner-Gutscheine in allen geöffneten Filialen dennoch zur Gänze eingelöst werden, zitieren Kreditschützer aus dem Antrag zur Eröffnung eines Sanierungsverfahrens. Kika/Leiner will auch, dass Kunden mit offenen Aufträgen und bereits geleisteten Anzahlungen (rund 42 Euro Mio.) ihre Waren vollständig erhalten. Dazu muss aber die noch zu bestellende Insolvenzverwaltung in alle offene Kaufverträge eintreten.

Für den AKV gibt es mehrere Aspekte rund um die Insolvenz von Kika/Leiner, die “aufklärungsbedürftig” sind. Man müsse prüfen, ob nicht bereits eine Insolvenzantragspflicht des Voreigentümers vorgelegen sei, hieß es vom AKV zur APA. Von der Insolvenzverwaltung zu überprüfen seien jedenfalls die letzten zwei Wirtschaftsjahre im Hinblick auf den Eintritt der materiellen Insolvenz und eine mögliche Insolvenzverschleppung, sowie die Verwendung von Covid-19 Förderungen in Höhe von rund 5,7 Mio. Euro. “Darüber hinaus werden die gänzlichen Zahlungsflüsse zwischen der Schuldnerin und der Signa-Gruppe zu überprüfen sein.”

Aus Sicht von Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, stellt sich nun vor allem die Frage, wie die angestrebte Sanierungsquote von 20 Prozent finanziert werden soll. Er gehe davon aus, dass auf der Aktivseite neben dem bestehenden Inventar vor allem Markenrechte zu verwerten sein werden. Das Sanierungskonzept müsse darüber hinaus sowohl einen klaren Plan für die Filialschließungen als auch für den Mitarbeiterabbau beinhalten, sagte Weinhofer gegenüber der APA.

“Der KSV1870 wird diese Schuldnerangaben sowie die vorgelegten Sanierungsmaßnahmen genauestens überprüfen, um einen weiteren wirtschaftlichen Schaden für die betroffenen Gläubiger zu vermeiden”, so die Leiterin Unternehmensinsolvenzen Wien/NÖ/Bgld beim KSV1870, Brigitte Dostal, in einer Aussendung. Es gehe nun auch darum, “rasch Lösungen für Mitarbeiter zu finden, die unverschuldet ihren Job verlieren”.

Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge rund um den Verkauf von Kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen nun genau prüfen, wie er im ORF-Radio ankündigte. Zum genauen Anteil der Republik an den Verbindlichkeiten der Kette machte Peschorn keine konkreten Angaben. In dem geplanten Sanierungsverfahren werde die Republik jedenfalls aber “ein gewichtiges Wort mitzureden haben”. “Wir haben hier sicherlich die entscheidenden Stimmrechte.”

Die Ansprüche der Republik würden sich auf drei verschiedene Stellen aufteilen, führte Peschorn dann am Abend in der Zeit im Bild 2 weiter aus. Gemeint sind die Steuerbehörden, der Insolvenz-Entgelt-Fonds sowie möglicherweise die COFAG, von der Kika/Leiner Coronahilfen bekommen hat. Die Insolvenz sei der “Startschuss für umfangreiche Prüfungen” – auch von Seiten der Abgabenbehörden. Peschorn geht davon aus, dass es hier eher zu Nachforderungen als zu Rückzahlungen kommen werde.

Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. Als “auffällig” bezeichnete Peschorn den Umstand, das die beiden Unternehmen Kika und Leiner 2022 rückwirkend auf den Bilanzstichtag 2021 zusammengelegt wurden. Das lasse “Vermutungen aufkommen, warum das passiert ist”. Auf Nachfrage des ZiB2-Moderators hin, antwortete Peschorn: “Damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann.”

Peschorn vermutet zudem, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. “Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren”, so der Finanzprokurator-Chef. Peschorn betonte bei all dem aber, dass die Unschuldsvermutung gelte.

Die operativen Kika- und Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. Die Miet-und Leasingverpflichtungen beliefen sich im Geschäftsjahr 2020/21 bei Kika auf 24 Mio. Euro, bei Leiner auf 19 Mio. Euro. “Was hier passiert, ist ein Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten”, kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. “Der gesamte kika/Leiner-Deal muss rückabgewickelt werden. Der Finanzminister hat die Republik schadlos zu halten”, forderte Teiber.

Von: apa