Nehammer setzt auf Verwendung schon vorhandener Mittel

Nehammer erteilt EU Absage wegen Forderung nach mehr Geld

Freitag, 23. Juni 2023 | 15:38 Uhr

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat der Forderung der EU-Kommission nach mehr Geld von den Mitgliedsstaaten eine Absage erteilt. Die Verwendung schon vorhandener Mittel sei “prioritär zu setzen, bevor man wieder neues Steuergeld von den Mitgliedsstaaten einfordert”, sagte Nehammer gegenüber dem Ö1-“Morgenjournal” (Freitag). Als Beispiele für vorhandene Mittel nannte er den Kohäsionsfonds, den Wiederaufbaufonds sowie Einsparungspotenzial bei der Verwaltung.

Die Kommission selbst gibt demgegenüber zu bedenken, dass der Großteil der Mittel aus den beiden Fonds – Nehammer sprach von einem Volumen von insgesamt 480 Mrd. Euro – bereits reserviert seien und zudem noch bis Ende der Budgetperiode abgerufen werden könnten, berichtete das “Morgenjournal”. Zudem sei der Einsatz der Gelder durch Verordnungen geregelt und daher nicht einfach so verschiebbar, argumentierte die Kommission. Nehammer fordert auf jeden Fall zunächst Überlegungen zur Verwendung der bereits vorhandenen Mittel: “Es wäre gut, dass die EU-Kommission vorlegt, wie sie umschichten will, und dann werden wir uns anschauen, ob das tatsächlich so funktioniert, dass es zum Besten der Mitgliedsstaaten ist.”

“Die EU-Kommission hat richtig erkannt, dass wir im EU-Budget auf Schwerpunkte wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, den Kampf gegen die illegale Migration und die Unterstützung der Ukraine fokussieren müssen”, sagte Angelika Winzig, die ÖVP-Delegationsleiterin im EU-Parlament. Deshalb einfach die Nettozahler zusätzlich zur Kasse zu bitten, sei aber ein falscher Reflex. “Wichtig ist jetzt, dass wir das vorhandene Mittel besser ausnützen und entsprechend unserer Prioritäten umschichten”, so Winzig.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder kann die erste Zurückhaltung gegenüber der Erhöhung des EU-Budgets verstehen, eine von Bundeskanzler Nehammer ins Spiel gebrachte Umschichtung aus den Kohäsions- und Wiederaufbautöpfen ist für ihn aber der völlig falsche Ansatz. “Das wäre eine Kürzung des EU-Budgets genau in dem Bereich, der direkt bei den Menschen ankommt und in dem EU-Gelder den größten Mehrwert schaffen: Beim sozial gerechten Klimaschutz, bei den Regionalförderungen und der Energieunabhängigkeit. Also weniger Geld für die aktuell zentralsten politischen Herausforderungen.” Natürlich müsse man sich genau ansehen, was gefordert werde und was nötig sei, so Schieder. “Klar ist aber auch: Wer mehr bestellt, muss auch mehr bezahlen.”

Die FPÖ ortet in Nehammers Aussagen eine “klassische kraftmeierische ÖVP-PR-Show”. Die ÖVP sei in den vergangenen Jahren gegenüber der EU bei verschiedenen Themen wie Migration und Budget schon “umgefallen”, kritisierten Parteichef und Klubobmann Herbert Kickl und Europasprecherin Petra Steger in einer Aussendung vom Freitag. Den Österreichern den “harten Verhandler und großen Macher vorgaukeln” und dann, wenn es in Brüssel ernst wird, aber butterweich umfallen – das kann die ÖVP wirklich”, so Steger. “Was die EU-Kommission an weiteren finanziellen Forderungen an die Mitgliedsstaaten stellt, wird auf alle Fälle für die österreichischen Steuerzahler teuer werden und das kann es wohl nicht sein”, so die beiden FPÖ-Politiker. “Diese schwarz-grüne Regierung darf daher keinen Cent mehr nach Brüssel überweisen.”

Ganz anders argumentieren indes die Grünen. “Wir brauchen eine starkes EU-Budget und neue Eigenmittel, um die Herausforderungen der Krisenbewältigung zu meistern: Klimakatastrophe, Solidarität mit Ukraine, soziale Verteilungsfragen”, sagte Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, im Europaparlament. Der Budget-Vorschlag der Kommission greife hier zu kurz, ohne verstärkte Anstrengungen von Seiten der Mitgliedstaaten werde es nicht gehen, so Vana. “Wer gegen die längst überfällige Stärkung des EU-Budgets eintritt, muss seine Anforderungen an die EU-Ebene zurückschrauben”, so Vana. In Österreich investiere die EU etwa bis 2027 mehr als eine Milliarde Euro in die regionale Entwicklung. “Ich würde mir wünschen, dass Österreich hier nicht wieder auf der Seite der Bremser steht”, so Vana weiters.

“Wir sind jederzeit offen für sinnvolle Diskussionen über dringend notwendige Reformen der EU und ihrer Institutionen. Genauso wie man bei uns immer offene Türen einrennt, wenn man ernsthaft über einen verantwortungsvollen und vernünftigen Umgang mit Steuergeld diskutieren möchte”, sagt die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon. “Wer seit Jahren wie Nehammer und seine ÖVP in Österreich das Steuergeld mit der Gießkanne zum Fenster hinausleert, ist nicht besonders glaubwürdig, wenn er dann gegenüber denen in Brüssel plötzlich den großen Sparefroh gibt”, so Gamon.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag die 27 Mitgliedsstaaten aufgefordert, rund 66 Milliarden Euro zusätzlich zum mehrjährigen Finanzrahmen bis 2027 beizutragen. Dies soll etwa den Bereichen Ukraine, Migration und Wettbewerb zugutekommen. Für Österreich würde die Aufstockung 1,6 Mrd. Euro zusätzlich bedeuten. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte damals umgehend diese Forderung abgelehnt: Österreich könne als Nettozahler einer Aufstockung der Mittel nicht zustimmen.

Von: apa