"Ein gutes Beispiel für eine gelungene Innenentwicklung ist Lüsen"

Plattform Land: “Leere Gebäude sinnvoll nutzen”

Donnerstag, 12. August 2021 | 12:26 Uhr

Bozen – Noch immer wird auf der grünen Wiese neu gebaut, obwohl viele Gebäude gerade in den Ortszentren leer stehen. Darauf hat die Plattform Land bei der ersten „Woche der Innenentwicklung“ aufmerksam gemacht und gleichzeitig Wege aufgezeigt, Leerstände wieder zu nutzen, Ortszentren zu beleben und neue Formen des Wohnens im ländlichen Raum umzusetzen.

An vier Tagen und in vier verschiedenen Orten (Rasen-Antholz, Lüsen, Mölten und Schlanders) diskutierten Expertinnen und Experten, Praktiker und politische Vertreterinnen und Vertreter über neue Wege in der Innenentwicklung im ländlichen Raum.

In den vergangenen eineinhalb Jahren hatte die Plattform Land im Auftrag von über einem Dutzend Gemeinden die Leerstände erhoben. „Mit dem Leerstandsmanagement und den Sanierungsberatungen, die demnächst für Private und Gemeinden angeboten werden, soll der Innenraum belebt und der Flächenverbrauch gesenkt werden“, sagte Ulrich Höllrigl, der Geschäftsführer der Plattform Land.

Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Leerstandserhebung und Best-Practice-Beispiele sind in der „Woche der Innenentwicklung“ mit den über 200 Interessierten diskutiert worden.

Landeshauptmann Arno Kompatscher, Schirmherr der „Woche der Innenentwicklung“, unterstrich vor allem den nachhaltigen Ansatz in der Entwicklung des ländlichen Raumes – ökologisch, ökonomisch und sozial. „Wir können diesen Weg, den wir begonnen und nun weitergehen möchten, nur gemeinsam schaffen.“ Die Politik allein könne diese Aufgabe nicht stemmen. Für den Präsidenten der Plattform Land, Andreas Schatzer, müsse das Sanieren attraktiver als das Neubauen sein, um wertvolle Kulturflächen zu schützen und den Bestand besser zu nutzen. „Dafür muss bei Förderungen und Steuern angesetzt werden.“ Architekt Johann Vonmetz unterstrich, wie wichtig bei einer Sanierung die Zusammenarbeit von Planer und Bauherr sei. Es gebe gute Argumente für eine Sanierung statt eines Neubaus. Ein zentrales Element hier ist das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft. Für Angelika Mair von „Kollektiv 2020“ gehe es beim neuen Gesetz nicht nur ums Bauen, sondern um den Lebensraum insgesamt, denn der Siedlungsraum ist auch Lebensraum.

André Mallossek von der Plattform Land zeigte die zahlreichen Förderungen für Sanierungen durch das Land und den Staat auf. Detaillierte Infos dazu gibt es auf www.plattformland.org.

Der Direktor des Ressorts für Raumentwicklung, Frank Weber, forderte, „sich der Diskussion um unsere Umwelt und die Landschaften, unsere Siedlungen und Lebensräume zu stellen.

Die Hochwasserereignisse in Deutschland haben es uns wieder einmal eindringlich vor Augen geführt, dass die Diskussion über die Zukunft nicht der nächsten Generation überlassen werden darf. Dann könnte es zu spät sein.“

Für den Pusterer Bezirkspräsidenten Robert Steger „wissen die Gemeinden schon länger, wie sie sich nachhaltiger entwickeln können. Sie müssen es nur tun.“

Beispiele für eine intelligente Flächennutzung und eine Belebung der Dörfer und Städte gibt es viele. In Lüsen ist erst kürzlich in Zusammenarbeit mit der Apothekerfamilie Peer eine Medikamentenausgabestelle eröffnet worden. Das Besondere daran ist, dass Kunden Medikamente und Apothekenartikel auch außerhalb der Öffnungszeiten abholen können. Zudem hat die Gemeinde Lüsen darauf geachtet, dass alle öffentlichen Gebäude leicht zu Fuß erreichbar sind, sagte Bürgermeisterin Carmen Plaseller. Viel Wert haben die Gemeindenvertreter auf die Aufwertung des Ortskerns gelegt. Dazu hat es u. a. einen Ideenwettbewerb für Planer gegeben. Freizeiteinrichtungen im Ortskern tragen ebenfalls zur Attraktivität bei.

In Vahrn entsteht in den nächsten Jahren ein Seniorenzentrum der Gemeinden Brixen, Vahrn und Lüsen, erklärte Bürgermeister Andreas Schatzer. „Gemeindeübergreifende Initiativen werden in Zukunft wichtiger.“

Neue Formen des Wohnens waren ebenfalls Thema der ersten „Woche der Innenentwicklung“. Ein gutes Beispiel stellte der Bürgermeister von Truden, Michael Epp, vor. Im Dorfzentrum soll ein Mehrgenerationenhaus entstehen, das einen Mittagstisch, eine Bar und ein Dorfmuseum beinhalten wird. Ziel ist das begleitete und betreute Wohnen älterer Menschen vor Ort. Zudem sollen kleinere Wohnungen für junge Menschen geschaffen werden, damit diese vor Ort bleiben und nicht abwandern.

Landesrätin Waltraud Deeg unterstrich die Wichtigkeit von neuen Wohnformen, auch generationenübergreifend.
Wie leere Geschäfte wieder belebt werden können, zeigte Simon Profanter von der „Wirtschaftsgenossenschaft Klausen“ auf. In der Dürerstadt wird stark auf eine Zwischennutzung mit Pop-Up-Stores gesetzt. So konnten bereits einige leerstehende Geschäftslokale wieder vermietet werden. Auch der Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol (hds) beschäftigt sich seit Längerem mit der Ortskernbelebung und der Standortentwicklung. Dafür wurden ein Tool und ein Praxisleitfaden entwickelt.

Vorgestellt wurde auch das Tiny House, ein von Eurac Research mit Partnern umgesetztes „Reallabor“ für nachhaltiges Bauen. Aus Holz, Kohle und Hanf wurde ein vollfunktionelles Kleinsthaus auf Rädern gebaut, und zwar CO2-negativ.

Mehrere Referenten, wie Thomas Kranebitter von RaumGis aus Osttirol, und Hannes Götsch, Ideator der BASIS Schlanders, sprachen sich bei der Innenentwicklung für mehr Bürgerbeteiligung aus. Erwachsene, aber auch Jugendliche und Kinder, sollten mitreden können, wie ein Dorf weiterentwickelt werden kann.

Ein wichtiger Aspekt, wenn es um Lebensqualität und Nachhaltigkeit im ländlichen Raum geht, ist die Mobilität. Der Autoverkehr nimmt weiter zu, ein Trend zu nachhaltiger Mobilität ist in Südtirol nicht erkennbar, stellte Helmuth Pörnbacher vom Meinungsforschungsinstitut Apollis fest. Zukünftig sei die Frage entscheidend, wer wann wohin muss und wie er sein Ziel erreichen kann – und das idealerweise zu Fuß, mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Gut bewährt haben sich Rufbusse: Sie sind eine bessere und flexiblere Alternative für den abgelegenen ländlichen Raum als große Busse, die im Stundentakt oft fast leer fahren. Irene Senfter vom Ökoinstitut stellte Beispiele für eine nachhaltige Mobilität vor, wie ein Leitsystem für Verkehrsmittel oder das Car Sharing.

 

Von: luk

Bezirk: Bozen