Von: mho
Bozen – Studie von Legacoopbund zu den Sozialgenossenschaften vorgestellt: In Südtirol leisten Genossenschaften einen bedeutenden gesellschaftlichen und unternehmerischen Beitrag und bergen großes Innovationspotential
Sozialgenossenschaften sind heute unverzichtbare Leistungsträger im Sozial- und Gesundheitsbereich und von der Arbeitseingliederung benachteiligter Personen nicht mehr wegzudenken. In Südtirol zählt man derzeit um die 220 Sozialgenossenschaften, die insgesamt mehr als 2.500 Personen beschäftigen; davon zirka 500 benachteiligte Personen, also Menschen, die im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojektes in den Sozialgenossenschaften beschäftigt sind. Der Druck auf die Sozialgenossenschaften steigt, die Bürokratie nimmt zu, der Konkurrenzdruck bei öffentlichen Ausschreibungen wird immer größer und öffentliche Beiträge nehmen generell ab.
Die Rolle der Sozialgenossenschaften muss deswegen neu durchdacht werden. Was Sozialgenossenschaften in Zukunft noch leisten und inwiefern sie eine Antwort auf demographische Veränderungen und gewandelte soziale Bedürfnisse geben können, darüber wurde bei der gestrigen (4. April 2018) Konferenz „Sozialgenossenschaften 2.0“ diskutiert. Am Treffen in der Handelskammer Bozen, das vom Genossenschaftsverband Legacoopbund organisiert wurde, nahmen auch die Landesrätin Martha Stocker und der Landesrat Christian Tommasini teil, sowie zahlreiche Vertreter der Südtiroler Sozialgenossenschaften.
„Den Mehrwert, den Sozialgenossenschaften durch ihr Wirken erzeugen, muss hervorgehoben werden. In erster Linie durch eine öffentlich finanzierte Studie, welche die soziale Wirksamkeit der Tätigkeit von Sozialgenossenschaft auf die Öffentlichkeit, auf die Lebensqualität von benachteiligten Personen und auf deren Umfeld aufzeigt“, so der Vorsitzende von Legacoopbund Heini Grandi. Wichtig wäre auch die Errichtung eines Kompetenzzentrums für soziale Innovation, davon war die Landesrätin Martha Stocker überzeugt: „Ein solches Vorhaben würden wir sicher begrüßen und unterstützen, wobei es eine zentrale Anlaufstelle werden soll, die von allen Genossenschaftsverbänden mitgetragen wird“.
Der Landesrat Christian Tommasini bekräftigte seinen Willen die Sozialgenossenschaften als wichtige Partner der öffentlichen Hand in Zukunft weiterhin zu fördern: „Die Landesregierung kann nicht Antworten auf alle sozialen und gesellschaftlichen Bedürfnisse geben. Hier sind vor allem die Genossenschaften gefragt, die sozialen Themen aufzufangen und neue Lösungen zu entwickeln. Die Landesregierung wird sich weiterhin bemühen, die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen und die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um dies zu ermöglichen“.
Der Vorsitzende von Legacoopbund Heini Grandi unterstrich, dass Sozialgenossenschaften eine Entwicklung anstreben, welche von der Förderpolitik hin zur Auftragspolitik führt, ohne jedoch die bestehenden Sicherungssysteme zu verlieren. Großes Augenmerk soll dabei auf die Qualität gelegt werden. „Es ist nicht immer leicht die wirtschaftlichen Zielsetzungen mit dem sozialen Auftrag zu vereinen, vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen zeigt sich die Tendenz, dass immer wieder Unternehmen aus anderen Regionen die Zuschläge erhalten“, betonte die Vorsitzende der Sozialgenossenschaft Oasis Klaudia Resch: „Es wäre wichtig, dass nach der Zuschlagserteilung die korrekte Ausführung des öffentlichen Auftrags einer konstanten Kontrolle unterzogen wird.“
Ein weiteres Thema, das im Rahmen der Konferenz behandelt wurde, ist die mögliche Erweiterung der benachteiligten Personengruppen. Es stellt sich die Frage, ob Sozialgenossenschaften auch Arbeitsintegrationsprojekte mit neuen sozial benachteiligten Gruppen, wie zum Beispiel Obdachlosen, Personen mit Migrationshintergrund, Langzeitarbeitslosen, arbeitslosen Jugendlichen usw. durchführen sollen. „Es handelt sich hierbei oftmals um benachteiligte Personen auf Zeit. Den Sozialgenossenschaften sollte darum die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Personengruppen auf Zeit zu begleiten und entsprechende gesonderte Förderungen zu erhalten, ohne die Kategorien der benachteiligten Personengruppen laut Gesetz 381/91 neu zu regeln“, dies die Meinung der gestrigen (4. April 2018) Diskussionsteilnehmer.
„Die Arbeitstätigkeit in den Sozialgenossenschaften ist eine Bereicherung für alle, nicht nur für die benachteiligten Personen“, so Francesca Peruz, Vorsitzende der Sozialgenossenschaft Clab: „Es entstehen neue soziale Kontakte und die Personen erfahren Unterstützung in unterschiedlichen Lebensbereichen“.
Die neue Studie zu den Sozialgenossenschaften in Südtirol
Im Rahmen der Konferenz wurden außerdem auch die Ergebnisse der gleichnamigen Studie vorgestellt, die im Auftrag von Legacoopbund von der Genossenschaft für Forschung und soziale Innovation Sophia durchgeführt wurde. Oscar Kiesswetter ist als Autor eines Teils der Studie auf den Entstehungsprozesses des Gesetzes 381/1991 zu den Sozialgenossenschaften eingegangen: „Die erste soziale Genossenschaft, die Cooperativa lavoratori uniti, wurde bereits 1972 gegründet, fast zwanzig Jahre bevor das Gesetz 381/1991, das die Sozialgenossenschaften in Italien regelt, in Kraft getreten ist.“
Auch Armin Bernhard hat als Coautor, einen Teil der Studie vorgestellt, wobei er auf die neuen sozialen Herausforderungen eingegangen ist: „Das Altern der Gesellschaft, die Integration von verschiedenen Personengruppen, die Arbeitsplatzbegleitung von Personen mit hohem Unterstützungsbedarf etc. zwingen die Genossenschaften dazu, neue Wege zu beschreiten und ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern. Neue Bündnisse und Netzwerke mit dem Profit und Non-Profit-Sektor und eine flexible Unterstützung von Seiten der öffentlichen und privaten Partner spielen dabei eine wesentliche Rolle“.
Die Studie, sowie deren Zusammenfassung, kann von folgender Seite heruntergeladen werden: www.legacoopbund.coop/de/ publikationen