Von: luk
Bozen – 62 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmenden haben in den letzten zwölf Monaten an einer oder mehreren Weiterbildungen teilgenommen, um ihre beruflichen Kompetenzen auszubauen. Zwar handelt es sich immer noch um einen hohen Prozentsatz, doch sinkt dieser bereits seit 2020, sodass er nun seinen tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung des AFI im Jahr 2014 erreicht hat. „Wir müssen unbedingt verhindern, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Motivation zur Weiterbildung verlieren und somit ihre Chancen in der Arbeitssuche schmälern. Wer kein Interesse mehr an beruflichem Wachstum hat, fällt in die Reihen der unzureichend qualifizierten Arbeitskräfte zurück, die jederzeit mit kostengünstigerem Personal ersetzt werden können“, zeigt sich AFI-Präsident Andreas Dorigoni besorgt.
Die berufliche Bildung ist ein entscheidender Faktor für die persönliche Entwicklung, für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt für die positiven Effekte auf das Wirtschaftssystem im Allgemeinen. Laut den Daten von Eurostat über die berufliche Weiterbildung der 25- bis 64-Jährigen im Jahr 2022 scheint der Anteil der Südtiroler, die einen Kurs besucht haben, zu steigen. Die Erhebung des AFI | Arbeitsförderungsinstituts, die sich auf die Arbeitnehmer:innen beschränkt, zeigt jedoch ein ganz anderes Bild, nämlich dass sich die abhängig Beschäftigten von der beruflichen Weiterbildung weniger angesprochen fühlen.
Der Teilnahmegrad
Die Daten der Herbstausgabe des AFI-Barometers belegen, dass in Südtirol 62 von 100 Arbeitnehmenden in den zwölf Monaten vor der Befragung an mindestens einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben, die entweder vom Arbeitgeber bezahlt oder manchmal sogar von den Arbeitnehmenden selbst finanziert wurde. „Es handelt sich hierbei um den tiefsten Stand der letzten zehn Jahre“, betont AFI-Forscherin Maria Elena Iarossi und fügt hinzu: „Trotz der Fortschritte in der Fernausbildung scheint die Verbreitung der neuen Technologien in der Pandemiezeit die Nachfrage im Weiterbildungsbereich nicht angekurbelt zu haben.“ Der Großteil der Beschäftigten (43 Prozent) nahm auf Anleitung des Arbeitgebers an spezifischen Fachkursen teil, 33 Prozent wurden direkt am Arbeitsplatz eingearbeitet, 26 Prozent waren bei externen Veranstaltungen dabei (sprich Tagungen, Konferenzen, Seminaren oder Workshops) und 20 Prozent nahmen schließlich noch an berufsrelevanten Kursen teil, die sie sich selbst finanziert haben.
Die Hauptgründe für die Teilnahme
Es gibt verschiedene Gründe für die Teilnahme an Weiterbildungskursen. 84 Prozent der in Südtirol befragten Arbeitnehmer:innen bildeten sich laut eigener Aussage weiter, um ihre beruflichen Aufgaben besser erfüllen zu können; 75 Prozent beteiligten sich vor allem aus Eigeninteresse. Andere wiederum wollten vor allem eine Bescheinigung oder ein Zertifikat erhalten (45 Prozent), ihre Karriereaussichten verbessern (43 Prozent), soziale Kontakte knüpfen, die später nützlich sein könnten (35 Prozent) oder den eigenen Lebenslauf erweitern, um sich ihren Arbeitsplatz zu sichern (33 Prozent). Schließlich erklärten 35 Prozent, vom Arbeitgeber zur Teilnahme verpflichtet worden zu sein.
Gründe für die Nichtteilnahme
38 Prozentder Befragten nahmen in den letzten zwölf Monaten an keiner beruflichen Weiterbildung teil. Davon erklären ganze 60 Prozent, diese nicht für erforderlich zu halten; 39 Prozent waren hingegen aus familiären Gründen verhindert. 35 Prozent haben kein angemessenes Angebot gefunden. Nur 26 Prozent jener Arbeitnehmenden, die keine Weiterbildung besucht haben, hätten gerne daran teilgenommen.
Zu sehr oder zu wenig ausgebildet?
58 Prozent der Befragten erklären, Aufgaben auszuüben, die ihren Fähigkeiten entsprechen. 30 Prozent sind der Auffassung, dass sie mit ihren Fähigkeiten und Kenntnissen auch komplexere Aufgaben als jene ausüben könnten, die zum Zeitpunkt der Befragung in ihren Aufgabenbereich fielen. Zwölf Prozent der Befragten geben hingegen an, nicht die erforderlichen Kompetenzen für ihre Arbeit zu besitzen und daher einer zusätzlichen Weiterbildung zu bedürfen, um ihre Aufgaben effizient erledigen zu können.
Strategischer Zukunftsfaktor
Der herrschende Arbeitskräftemangel erleichtert die Arbeitssuche sehr; dahinter lauert jedoch die Gefahr, dass das Interesse der Beschäftigten an der Weiterbildung schwindet, wie die fallenden Teilnehmerzahlen bereits konkret zeigen. In einer Zeit großer technologischer und kultureller Umwälzungen, wie wir sie jetzt erleben, ist es jedoch wichtiger denn je, dieses Interesse zu fördern und mitzutragen.