Studie von Eurac Research zeigt Chancen der Dekarbonisierung

Wie Italien von der Energiewende profitieren kann

Donnerstag, 05. Dezember 2019 | 11:01 Uhr

Bozen – Will Italien seinen Beitrag dazu leisten, den mittleren Temperaturanstieg auf der Welt unter 1.5°C zu halten, darf das Land nur noch 3,8 Milliarden Tonnen CO2 an die Atmosphäre abgeben. Dieses Budget wäre mit dem aktuellen Energiesystem aber schon in zehn Jahren aufgebraucht – es ist also höchste Zeit, die Dekarbonisierung entschlossen voranzutreiben. Aber auf welchem Weg genau? Um Kosten und Chancen der verschiedenen Szenarien zu bewerten, haben die Forscher von Eurac Research ein mathematisches Modell für die Simulation von Energiesystemen entwickelt und damit tausende von Möglichkeiten durchgespielt, wie das Land seinen Energiebedarf für Strom, Verkehr und Heizung künftig decken könnte: Stunde für Stunde über den Verlauf eines ganzen Jahres, ausgehend von den aktuellen Werten für Produktion und Verbrauch. Die Studie zeigt auf, welche Chancen in der Dekarbonisierung liegen: Italien könnte jedes Jahr mehrere Milliarden Euro für fossile Brennstoffe einsparen und hätte damit zusätzliche Ressourcen für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz.

Der nationalen Energie- und Klimaplan (PNIEC, Piano nazionale integrato energia e clima) legt dar, was Italien tun muss, um die europäischen Klimaziele bis 2030 einzuhalten: 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß als 1990, 30 Prozent mehr Energie aus erneuerbaren Quellen, 43 Prozent mehr Energieeffizienz. Mit der Umsetzung des Plans werden sich die jährlichen Kosten des italienischen Energiesystems um 5,4 Prozent erhöhen, errechneten die Forscher. Wie bei gleichen Kosten ein noch besseres Ergebnis zu erzielen wäre, nämlich eine Senkung der Emissionen um zusätzliche zehn Prozent, konnten sie anhand ihres Simulationsmodells auch aufzeigen: In diesem optimalen Szenario wären im Jahr 2030 20 Prozent der Fahrzeuge elektrisch betrieben, die Photovoltaikanlagen würden eine Gesamtleistung von 86 Gigawatt erbringen (heute sind es 19) und die Windkraftanlagen 48 Gigawatt (heute neun); zudem müssten etwa 30 Prozent des Gebäudebestandes energetisch saniert werden.

„Das sind ehrgeizige Ziele, doch unsere Studie zeigt, dass es möglich ist, die Emissionen deutlich zu reduzieren – und dass darin zudem eine große wirtschaftliche Chance liegt, die derzeit noch wenig genutzt wird“, erklärt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie von Eurac Research. Tatsächlich würde Italien in diesem idealen Szenario jährlich 7,3 Milliarden Euro weniger für den Import fossiler Brennstoffe ausgeben als heute. Diese Mittel könnten stattdessen in den Ausbau erneuerbarer Energien und die energetische Sanierung fließen, was Arbeitsplätze schaffen und die lokale Wirtschaft stärken würde.

Im Hinblick auf das Emissionsbudget ergab die Studie allerdings, dass Italien sowohl mit dem PNIEC wie mit dem verbesserten Szenario nur wenige Jahre gewinnt: „Es erscheint also notwendig, eine noch schnellere Dekarbonisierung anzustreben, wenn man die Vereinbarungen von Paris einhalten will“, so Sparber.

Von: mk

Bezirk: Bozen