Von: mk
Bozen/Innsbruck – Der Archäologe Erich Kistler und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Kerschbamer wurden für ihre außergewöhnlichen Leistungen mit dem Wissenschaftspreis der Stiftung Südtiroler Sparkasse ausgezeichnet. Konrad Bergmeister, Präsident der Stiftung, überreichte die Preise im Beisein der Laudatoren Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Christoph Ulf.
Seit dem Jahr 2008 verleiht die Universität Innsbruck im Namen der Stiftung Südtiroler Sparkasse den „Wissenschaftspreis für außergewöhnliche Forschungsleistung der Stiftung Südtiroler Sparkasse“ als Würdigung für das wissenschaftliche Gesamtwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an der Universität Innsbruck. Der Preis ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Stiftungspräsident Konrad Bergmeister überreichte die Wissenschaftspreise an die Ausgezeichneten. „Um als erfolgreiche Universität Forschungsresultate auf diesem hohen internationalen Niveau vorweisen zu können, muss man engagierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und diese auch entsprechend unterstützen und fördern“, sagte Rektor Tilmann Märk. „Und was könnte mehr motivieren, als die öffentliche Anerkennung hervorragender Leistung, eine Anerkennung, die oftmals ohne Sponsoren aus dem Wirtschafts- und Bankenbereich nicht möglich wäre. So gilt mein Dank der Stiftung Südtiroler Sparkasse und ihrem Präsidenten Konrad Bergmeister für die großzügige Unterstützung der Universität Innsbruck.“ Für ihr wissenschaftliches Gesamtwerk wurden in diesem Jahr zwei Forscher gewürdigt: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hielt die Laudatio für seinen langjährigen Freund und wissenschaftlichen Fachkollegen Rudolf Kerschbamer. Weiters wurde Erich Kistler ausgezeichnet, dessen Lobrede vom ehemaligen Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät, dem Althistoriker Christoph Ulf, gehalten wurde.
Die Ausgezeichneten
Erich Kistler verbindet höchste archäologische Fachkompetenz mit einem ungewöhnlich weiten Blick auf Geschichte, Anthropologie bzw. Ethnologie, Soziologie und verschiedenste Naturwissenschaften. Der Grundstein dafür wurde in seinem Studium an der Universität Zürich gelegt, an der er 1998 promovierte und sich 2004 habilitierte. Seine Forschungen auf dem gesamten Gebiet der Klassischen Archäologie, der Neuinterpretation älterer Grabungsbefunde und ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung, der ästhetisch-analytischen Bildanalysen, der kritischen Reflexion der Inanspruchnahme von Vergangenheit für die Gegenwart, der Interpretation des Mittelmeers und seiner Randzonen als eines proto-globalen Raumes oder der Suche nach einem Ersatz für die Klassifikation materieller Befunde nach ethnischen Kriterien, beruhen auf diesem breiten Fundament. In seinen zahlreichen Studien und den nicht weniger zahlreichen Vorträgen an verschiedensten Universitäten dokumentiert sich seine Bereitschaft, neue Wege zu gehen, besonders gut erkennbar in der von ihm geleiteten Grabung am Monte Iato in Sizilien, die inzwischen in der archäologischen Welt als Vorzeigeprojekt gilt. Nach einer Lehrtätigkeit in Zürich und einer Gastprofessur in Bern nahm Kistler im Jahr 2008 den Ruf an die Ruhr-Universität Bochum an. Hier leitete er die Grabung in Milet in Kleinasien und wurde zum Mitbegründer des interdisziplinären „Zentrums für Mittelmeerstudien“. 2010 akzeptierte er den Ruf an die Universität Innsbruck und wurde hier sofort zu einer treibenden Kraft im Aufbau interner und externer wissenschaftlicher Kooperationen am Institut für Archäologien, als Sprecher des „Zentrums für alte Kulturen“ und innerhalb der Forschungsplattform „Cultural Encounters and Transfers“ und des Forschungsschwerpunkts „Kulturelle Kontakte – Kulturelle Konflikte“. Seit 2014 wirkt er als Fachreferent für die Altertumswissenschaften beim österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Wien. Aktuell läuft ein von ihm als Principal Investigator eingebrachter Antrag auf einen Advanced Grant beim European Research Council zum Aufbau und zur Umsetzung einer Methodik, mit der das Lokale als historisches Phänomen erfasst werden kann.
Rudolf Kerschbamer brachte durch seine Berufung sehr viel Neues nach Innsbruck. Durch sein Studium in Wien und längere Aufenthalte u.a. an der Northwestern University in Evanston/Chicago war und ist er Teil einer wissenschaftlichen Community, die für eine Art spieltheoretischer Revolution in der Volkswirtschaft steht. Durch die „flächendeckende“ Analyse strategischer Interaktionen wandelte sich die Denkweise insbesondere zu Fragen der Wettbewerbspolitik und Industrieökonomik entscheidend. Das Gebiet, das seit mehr als zehn Jahren fest mit dem Namen Rudolf Kerschbamers verbunden ist, ist die Analyse von Märkten für Vertrauensgüter. Beispiele für solche Vertrauensgüter sind Dienstleistungen im Reparaturbereich, aber auch in der Medizin. Rudolf Kerschbamer hat wichtige Beiträge zur Erforschung dieser Thematik geleistet: Zum einen hat er die bunte und vielfältige Publikationslandschaft zu Vertrauensgütern in einer Art Standardmodell zusammengefasst. Wann immer heute über die Rolle von Haftung, Reputation oder Wettbewerb in Märkten für Vertrauensgüter gesprochen wird, zitieren die AutorInnen einen entsprechenden Beitrag von Rudolf Kerschbamer, den er gemeinsam mit dem in Australien forschenden Uwe Dulleck verfasst hat. Weiteres war Rudolf Kerschbamer federführend bei der Gestaltung erster Labor- und Feldexperimente zur systematischen Erforschung des individuellen Verhaltens in diesen Märkten. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit Matthias Sutter und Loukas Balafoutas entstanden Arbeiten, die die ökonomischen Probleme der einseitigen Information in Vertrauensgütermärkten nicht nur identifizieren, sondern auch quantifizieren. Die enge Verbindung zwischen klaren und eleganten Modellen mit aus ihnen erwachsenen experimentellen Designs ist eines der unverwechselbaren Kennzeichen der Forschung von Rudolf Kerschbamer. Die Qualität seiner wissenschaftlichen Arbeiten, aber auch sein Wirken als langjähriger Vorsitzender der Curriculumskommission und in zahlreichen Berufungskommissionen hat die Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik stark geprägt.
Die Forschungspreise gingen an Barbara Tartarotti-Alfreider vom Institut für Ökologie, die eine Arbeit über Zooplankton vorgelegt hat, eine Gruppe kleiner aquatischer Tiere, die im Nahrungsnetz von Seen eine wichtige Rolle spielen. Die aus ihrer Arbeit gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, zu erklären, wie Organismen auf eine sich ändernde Umwelt reagieren. Weiters erhielt Anna Buchheim einen Preis für ihre Arbeit zur erfolgreichen Veränderung von unsicheren dysfunktionalen Bindungsmustern durch Psychotherapie. Ihre Arbeiten wurden in einer führenden Fachzeitschrift im Bereich der klinischen Psychotherapieforschung und Psychosomatik publiziert. Sieglinde Klettenhammer vom Institut für Germanistik erhält den Preis für ihre Arbeit zu Josef Zoderer. Das Ziel des vom FWF geförderten und am Forschungsinstitut Brenner-Archiv angesiedelten Projektes ist eine kritischen Neubewertung des Gesamtwerkes von Josef Zoderer. Ihre Arbeit ist im Sammelband „Joseph Zoderer – Neue Perspektiven auf sein Werk“ erschienen. Zudem erhält Claudia Jünke einen Preis für ihre umfassende Analyse der literarischen Darstellung von Trauma in Mathias Énards umfangreichen Roman „Zone“ aus dem Jahr 2008. Damit leistete sie nicht nur einen Beitrag zur Erforschung zeitgenössischer französischer Erzählliteratur, sondern auch zu den aktuellen Theoriedebatten im Bereich der literarischen Traumaforschung.