Die Verbraucherschutzzentrale klärt auf

Zuckersteuer erneut um sechs Monate verschoben

Montag, 30. Juni 2025 | 10:34 Uhr

Von: Ivd

Rom – Nachdem sie bereits sieben Mal verschoben worden war, sollte die italienische Zuckersteuer ab morgen in Kraft treten. Doch die italienische Regierung verzögert deren Einführung um weitere sechs Monate – zum Nachteil der Bevölkerung. Die Verbraucherzentrale Südtirol klärt auf.

Mit dem Haushaltsgesetz 2020 (Nr. 160/2019) führte Italien zwei neue Verbrauchssteuern ein, die „Sugar Tax“ auf gesüßte Getränke und die „Plastic Tax“ auf Einwegkunststoffprodukte. Bis heute ist weder die eine noch die andere Abgabe in Kraft getreten. Die Kunststoffsteuer wird – aus heutiger Sicht – am 1. Juli 2026 wirksam, die Zuckersteuer – statt morgen erst am 1. Jänner 2026. Erst vor zehn Tagen hat der italienische Ministerrat die mittlerweile achte Verschiebung beschlossen. Seit Jahren ist die Zuckersteuer ein politischer Zankapfel für die politischen Parteien. Einige von ihnen würden die Sugar Tax am liebsten wieder abschaffen. Auch Assobibe, der Verband der Hersteller von alkoholfreien Getränken, der Bauernverband Coldiretti und sogar einige Gewerkschaften sprechen sich gegen die Einführung der Zuckersteuer aus. Sie alle scheinen zu übersehen, dass es dabei um eine bessere Gesundheit für sehr viele Menschen geht.

Zehn Cent pro Liter: die italienische Sugar Tax

Die italienische Zuckersteuer betrifft alle gesüßten Getränke mit einem Alkoholgehalt von bis zu 1,2 Volumsprozent sowie Erzeugnisse, welche durch Zugabe von Wasser oder anderen Flüssigkeiten zubereitet werden. Die Bestimmung umfasst sowohl natürlich gewonnene als auch künstlich hergestellte Süßungsmittel und gilt somit für Soft Drinks, Eistee, Fruchtsaftgetränke, Energy Drinks, Sirupe, Instant-Getränkepulver und ähnliche. Die Hersteller bzw. Importeure bezahlen zehn Euro pro Hektoliter Getränk (das entspricht 0,10 Euro pro Liter) bzw. 0,25 Euro pro Kilo für Produkte, die verdünnt werden. Zu erwarten ist, dass die Hersteller die Mehrkosten an die Verbraucher weitergeben und die Verkaufspreise erhöhen. Von der Abgabe befreit sind Getränke mit einem Zuckergehalt von maximal 25 Gramm Saccharose pro Liter (für Präparate maximal 125 Gramm Saccharose pro Kilo) sowie Produkte, welche eine äquivalente Menge an Süßstoff nicht überschreiten.

Warum Italien eine Zuckersteuer braucht

In Italien sind 32,6 Prozent der Erwachsenen übergewichtig (Körpermasseindex 25–29,9) und weitere 10,4 Prozent fettleibig (Körpermasseindex ≥30, Erhebung „PASSI“, ISS 2023-2024). Besonders besorgniserregend ist die Situation bei den Kindern. Gemäß den Kriterien der International Obesity Task Force sind in Italien 19,8 Prozent der Acht- bis Neunjährigen übergewichtig und weitere 9,8 Prozent fettleibig (Erhebung „OKkio alla SALUTE“, ISS 2023). Werden die Kriterien der WHO berücksichtigt, sind insgesamt sogar 37 Prozent der Kinder als übergewichtig oder fettleibig einzustufen. Damit teilt Italien sich mit Griechenland den zweiten Platz in der Rangliste der übergewichtigen Kinder in der WHO-Region Europa (WHO 2024).

Dazu trägt mit Sicherheit auch der Konsum von Zucker und zuckerhaltigen Getränken bei. Im Durchschnitt nehmen Italiener von drei bis 74 Jahren täglich 83 Gramm einfache Zucker auf (Erhebung „IV SCAI“, CREA 2023). Rund ein Viertel der Acht- bis Neunjährigen konsumiert täglich zucker- und/oder kohlensäurehaltige Getränke (Erhebung „OKkio alla SALUTE“, ISS 2023).

Dabei ist sich die Wissenschaft einig, dass die Aufnahme von zugesetzten und freien Zuckern so gering wie möglich sein sollte. Zwischen dem Konsum von zuckergesüßten Getränken und dem Erkrankungsrisiko für Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es nämlich mit hoher Gewissheit einen Zusammenhang. Die WHO empfiehlt erwachsenen Personen folglich, die Aufnahme an freien Zuckern idealerweise auf 25 Gramm pro Tag zu begrenzen. Freie Zucker sind alle Zuckerarten, die Speisen und Getränken zugesetzt werden, sowie der Zucker in Honig, anderen Süßungsmitteln und Fruchtsäften.

Eine Zuckersteuer, also eine Abgabe auf zuckergesüßte Lebensmittel, in erster Linie Getränke, kann ein wirksames politisches Instrument sein, um den Konsum von zuckerhaltigen Süßgetränken und die Aufnahme von Zucker zu verringern und mittelfristig Krankheiten zu verhindern.

Wie eine Zuckersteuer wirkt

Modellrechnungen und die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass in erster Linie höhere Abgaben eine geringere Nachfrage nach den besteuerten Lebensmitteln bewirken. Laut WHO sollte eine Zuckersteuer den Verkaufspreis um mindestens 20 Prozent erhöhen. Niedrigere Abgaben dagegen wirken sich kaum auf die Nachfrage aus, sie sind in erster Linie zusätzliche Steuereinnahmen für den Staat – wobei dieser die Gelder idealerweise für Gesundheitskampagnen verwendet.

Für Deutschland zeigte eine Simulationsstudie, dass durch eine – nach der Höhe des Zuckergehalts – gestaffelte Besteuerung gesüßter Getränke innerhalb von 20 Jahren rund 240.000 Fälle von Typ-2-Diabetes verhindert und rund 16 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten (u.a. Kosten für das Gesundheitssystem und für Krankheitsfehltage) eingespart werden könnten (Emmert-Fees et al. 2023).

Ob die italienische Sugar Tax, so sie denn jemals in Kraft tritt, tatsächlich den gewünschten Effekt haben wird, ist umstritten. Laut einer Simulation (Tiboldo et al. 2024) könnte die Zuckersteuer den Konsum von zuckergesüßten Getränken um 18 Prozent und die Zuckeraufnahme um 24 Prozent reduzieren. Die unabhängigen Online-Magazine „Il Fatto Alimentare“ und „Altreconomia“ dagegen haben die Sugar Tax in der Vergangenheit als „lächerlich“ und unwirksam bezeichnet. Der Experte für Lebensmittelrecht Dario Dongo plädiert dafür, anstelle einer fixen Abgabe eine gestaffelte Steuer nach dem Vorbild von Großbritannien und Frankreich einzuführen. Nur so schaffe man einen Anreiz für die Getränkehersteller, die Menge an Süßungsmitteln in den Rezepturen ihrer Produkte zu reduzieren.

Gunde Bauhofer, die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol, meint dazu: „Das ständige Hinausschieben dieser beiden Steuern zum Nachteil der Bevölkerung lässt vermuten, dass im Hintergrund maßgebliche – und offenbar erfolgreiche – Lobby-Strategien am Werk sind. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt ist jedoch prioritär, daher sollte Italien sowohl die Zuckersteuer als auch die Plastiksteuer lieber heute als morgen einführen.“

Erfahrungen aus anderen Ländern

Zahlreiche Länder, darunter Großbritannien, Irland, Frankreich, Belgien, Ungarn, Chile, Mexiko, Saudi-Arabien sowie mehrere Städte in den USA haben bereits eine Zuckersteuer eingeführt.

In Großbritannien bezahlen Getränkehersteller seit 2018 für Getränke mit einem Zuckergehalt ab fünf g/100 ml eine Abgabe von 18 Pence pro Liter und für Getränke mit einem Zuckergehalt ab acht g/100 ml eine Abgabe von 24 Pence pro Liter. In der Folge haben viele Hersteller den Zuckergehalt ihrer Produkte gesenkt. 2019 wiesen nur noch 15 Prozent der in Supermärkten angebotenen Getränke einen Zuckergehalt über fünf g/100 ml auf, 2015 waren es noch fast 50 Prozent der Getränke. Zudem habe sich die Häufigkeit von Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert (Rogers et al. 2023).

In Mexiko wurde eine Steuererhöhung um rund zehn Prozent auf zuckergesüßte Getränke eingeführt. Im ersten Jahr nach Einführung kauften die Haushalte um sechs bis sieben Prozent weniger zuckergesüßte Getränke ein (Colchero et al. 2016).

Chile erhöhte 2014 die Verbrauchssteuer auf Getränke mit hohem Zuckergehalt (>6,25 g/100 ml) von 13 auf 18 Prozent und senkte zugleich die Steuer auf Getränke mit einem Zuckergehalt unterhalb dieser Grenze von 13 auf zehn Prozent. Innerhalb eines Jahres nach Einführung nahm der Konsum der Getränke mit hohem Zuckergehalt um 21,6 Prozent ab. Besonders stark war der Rückgang bei Konsumenten mit einem hohen Konsum dieser Produkte (Nakamura et al. 2018).

In Berkeley (USA) nahm 2015 der Verbrauch von zuckergesüßten Soft Drinks innerhalb von vier Monaten nach Einführung einer Steuer von 33,8 US-Cent pro Liter um 21 Prozent ab (Falbe et al. 2016).

Bezirk: Bozen

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