Von: mk
Bozen – Die Staatsanwaltschaft ist entschlossen, der Wahrheit über den Tod eines bekannten Bozner Anwalts auf den Grund zu gehen und hat acht Personen – allesamt enge Verwandte – ins Ermittlungsregister wegen mutmaßlicher Mittäterschaft eingetragen. Den Angehörigen des Juristen, der am 27. Oktober 2022 im Alter von 60 Jahren verstorben ist, werden schwere Misshandlung mit Todesfolge vorgeworfen. Laut Strafgesetzbuch drohen den Beschuldigten bei einer möglichen Verurteilung jeweils eine Haftstrafe bis zu 24 Jahren.
Wie die Zeitung Alto Adige schreibt, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Verwandten Druck auf den Mann ausgeübt haben. Dadurch hätten sie ihn dazu gebracht, nach den von der Familie auferlegten Regeln zu leben und die von der Schulmedizin angebotenen Behandlungen zugunsten homöopathischer Mittel abzulehnen.
Laut Staatsanwaltschaft haben die Angehörigen den Mann nach einer diagnostizierten Thrombose in eine Beherbergungsstruktur nach Kastelruth gebracht. Im Bozner Krankenhaus, wo er im Juli 2022 stationär aufgenommen worden war, sollen sie „den Moment der körperlichen und geistigen Schwäche“ ausgenutzt haben. Laut Anklage hätten die Angehörigen in ihm unter anderem „einen Zustand der Angst“ wegen möglicher Folgen der Einnahme von Medikamenten erzeugt, die sie offenbar für tödlich hielten. Die Verwandten sollen – immer laut Staatsanwaltschaft – den Anwalt davon überzeugt haben, eine schulmedizinische Therapie aufzugeben und sich stattdessen für einen homöopathischen Behandlungsweg als „rettenden“ Ausweg zu entscheiden.
In Kastelruth blieb der Anwalt bis Ende Oktober 2022 – nur wenige Tage vor seinem Tod. Der Staatsanwaltschaft zufolge sollen die Verwandten den Mann in dieser Zeit von der Außenwelt isoliert haben. Sie hätten ihm sein Handy entzogen und Kontakte zu Bekannten und Kollegen kontrolliert.
Unter anderem soll auch der Kontakt zur im Veneto lebenden Ehefrau des Anwalts unterbunden worden sein, die als Geschädigte Teil des Verfahrens ist und von Rechtsanwalt Alessandro Melchionda vertreten wird. Die Anklage vermutet, die Verwandten hätten die Ehefrau glauben lassen, die Beziehung sei beendet.
In den Akten der Ermittler befindet sich außerdem ein möglicherweise gefälschtes Dokument – eine offizielle Erklärung, in der der Anwalt schriftlich festhält, sich für eine homöopathische Behandlung zu entscheiden und die Einlieferung ins Krankenhaus abzulehnen.
Am 22. Oktober 2022 begaben sich Ordnungskräfte in Begleitung von Sanitätern zur Unterkunft in Kastelruth, um eine obligatorische Gesundheitsüberprüfung durchzuführen. Diese wird von den zuständigen Behörden üblicherweise bei einer Person angeordnet, die eine ärztliche Behandlung verweigert und deren Leben in Gefahr ist. Anschließend hat man den Anwalt ins Krankenhaus eingeliefert, doch sein Gesundheitszustand war offenbar bereits kritisch.
Unter den von den Ärzten festgestellten Pathologien sollen in der Zwischenzeit einige sehr schwerwiegende Krankheiten aufgetreten sein: ein ischämischer Schlaganfall, ein Niereninfarkt und eine Ischämie. Auch Verletzungen am Ellbogen wurden festgestellt.
Als Todesursache gilt ein septischer Schock aufgrund von „Kachexie“, ein schwerwiegendes Stoffwechselsyndrom, das oft mit extremer Abmagerung einhergeht. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Verwandten dem Mann „angemessene Pflege vorenthalten und ihn bei der Ernährung, der Aufnahme von Flüssigkeit und der Körperhygiene nicht unterstützt“ haben.
Das Verfahren steckt bislang immer noch in der Ermittlungsphase. Bis kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, gilt die Unschuldsvermutung für die Betroffenen. Laut Alto Adige will die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht archivieren und könnte demnächst Anklage erheben. Der Verteidiger der Beschuldigten haben unterdessen noch einige Tage Zeit, Beweismittel einzureichen und neue Zeugenaussagen vorzulegen.




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