Von: mk
Bozen – Jahrelang war Heroin in der Drogenszene out. Nun bereitet allerdings ein neuer Trend Kopfzerbrechen. Dass die Droge auch geraucht werden kann, scheint besonders bei Jugendlichen die Hemmschwelle zu senken. Dies bestätigt Dr. Bettina Meraner vom Dienst für Abhängigkeitserkrankungen in Bozen gegenüber dem Tagblatt Dolomiten.
„Der Heroinsüchtige ist schon lange nicht mehr derjenige, der in einem Winkel liegt mit der Nadel im Arm“, erklärt Patrizia Federer, Leiterin der niederschwelligen Einrichtung für Suchtkranke in Bozen „Bahngleis 7“ laut „Dolomiten“. Sie wünscht sich mehr wertfreie Aufklärung – „nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern seriöse Information“.
Seit Mitte 2015 stellt man bei „Bahngleis 7“ einen merklicher Anstieg von Jugendlichen fest, die Heroin rauchen: Die Droge wird auf Alufolie erhitzt, der Dampf wird darauf inhaliert. „Die Konsumenten unterschätzen die Gefahr – viele sind sogar überrascht, wenn sie unter Entzugserscheinungen leiden“, betont Federer laut „Dolomiten“.
Der Heroinkonsum habe zugenommen – seit heuer vermehrt auch unter Minderjährigen, erklärt Dr. Bettina Meraner. „Konsumenten glauben irrtümlich, es mache nicht viel Unterschied, ob sie Haschisch, Marihuana oder Heroin rauchen. Doch es ist die Substanz, die süchtig macht, nicht die Konsumform“, warnt die Ärztin.
Sie appelliert an die Eltern, bei ihren Kindern genau hinzuschauen. Jugendliche sind für Dealer oft eine leichte Zielscheibe: Am Bozner Landesgericht gibt es ein Verfahren gegen einen Mann, der in der Nähe einer Schule Heroin verkauft haben soll. Eines der Opfer, das sich inzwischen in Therapie befindet, ist gerade einmal 14 Jahre alt.
Auch der „günstige“ Preis könnte ein Grund für den zunehmenden Heroinkonsum sein. „Ein Gramm kostet um die 30 Euro und wird schon so verpackt angeboten, dass man es sofort auf Folie rauchen kann“, erklärt Peter Koler, Geschäftsführer des Forums Prävention, gegenüber dem Tagblatt Dolomiten. „Drohungs-Präventionsarbeit“ hält Koler nicht für sinnvoll. Das Problem liege nicht in der Substanz an sich, sondern beim Konsumenten und dessen persönlichen Schwierigkeiten. Da gelte es laut Kohler anzusetzen.
Anlaufstelle für verzweifelte Angehörige bietet kostenlose Beratung
Es passiert vielen Eltern jugendlicher Kinder: Schleichend oder auf einmal stellen sie fest, dass ihr eigener Sohn oder ihre Tochter sich verändert hat. Nicht selten sind sog. psychoaktive Substanzen daran schuld, im Alltag meist Cannabis („Kiffen“) oder Pillen, die für kurze Zeit eine Flucht aus der realen Welt vorgaukeln. Die Angehörigen sind meist ratlos: Zu den Zweifeln gesellen sich Vorwürfe, Fragen und Ratlosigkeit, aber auch eine zunehmende soziale Isolation. Der Dienst für Abhängigkeiten im Gesundheitsbezirk Meran versucht, zusammen mit der Vereinigung „La Strada – Der Weg“, diese Situationen aufzufangen: In kostenlosen und anonymen Selbsthilfetreffen werden Angehörige professionell informiert und können sich unverbindlich miteinander austauschen.
„Natürlich bieten wir den Eltern weiterhin Einzel- und Familiengespräche an“, erklärt Dr.in Sabina Sbarufatti vom Dienst für Abhängigkeiten in Meran. „Doch sehr oft hilft es den Angehörigen enorm, wenn sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können, wenn sie sehen, sie stehen mit ihren Problemen nicht alleine da. Gleichzeitig ist eine professionelle Betreuung durch eine erfahrene Psychologin immer garantiert.“ Auch Angst vor einem „Outing“ braucht niemand zu haben: Die Treffen finden außerhalb des Dienstsitzes, an einem neutralen Ort, in völliger Anonymität und Vertraulichkeit statt.
Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass dieses Angebot sehr gerne von den Angehörigen angenommen wird. Zweimal monatlich nutzen Eltern/Personen aller Herkunftsschichten und aus verschiedenen Gegenden des Einzugsgebietes die spezifische Beratung, Unterstützung, Informationsvermittlung und Mediationstätigkeit – aber auch einfach das Sich-Austauschen mit anderen Betroffenen am Meraner Treffpunkt.
„Drogenkonsumenten – dabei geht es beileibe nicht nur um ‚harte‘ Drogen, sondern dazu zählt z.B. auch der Schüler, der sich am Freitagabend ‚ins Wochenende kifft‘ – brauchen informierte Eltern und Angehörige“, bringt es Dr.in Sbarufatti auf den Punkt. „Es ist uns deshalb wichtig, dass so viele Eltern wie möglich über dieses Angebot Bescheid wissen, da wir die Erfahrung gemacht haben, dass Angehörige oft schlicht und einfach nicht wissen, an wen sie sich wenden können.“
Informationen:
· Dienst für Abhängigkeiten im Gesundheitsbezirk Meran, Tel. 0473 251 760
· „La Strada – Der Weg“, Tel. 0471 203 111
· Dr.in Veronika Rottensteiner (für Gruppen in deutscher Sprache), Tel. 331 6521 849
· Dr.in Cristina Mitta (für Gruppen in italienischer Sprache, derzeit nur in Bozen), Tel. 331 6793 980
· Dr.in Marina Bruccoleri („La Strada – Der Weg“), Tel. 348 2810 662