Riviera der Romagna spiegelt die Krise der italienischen Mittelschicht wider

Touristiker in Sorge: „Nur an den Wochenenden ist es voll“

Donnerstag, 17. Juli 2025 | 07:08 Uhr

Von: ka

Rimini – Die Touristiker der klassischen Adria-Badeorte blicken mit Sorge auf die diesjährige Sommersaison. Im Gegensatz zu früher, als die Strände der Riviera della Romagna im Juli und August wochenlang bis zum Bersten voll waren, bleiben dieses Jahr viele Zimmer und Strandliegen ungenutzt.

Zwar wird der gewohnte Trubel an den Wochenenden noch erreicht, unter der Woche bleibt es jedoch ziemlich ruhig. Der Verband der Strandbadbetreiber glaubt, dass die Riviera die Krise der italienischen Mittelschicht widerspiegelt. Inflation und stagnierende Gehälter seien laut dem Verbandspräsidenten dafür verantwortlich, dass sich die Italiener keine langen Urlaube mehr leisten können und nur noch für wenige Tage bleiben. Glücklicherweise entdecken aber immer mehr Ausländer die Strände von Rimini, Riccione, Cesenatico und Cattolica wieder.

APA/APA (AFP)/ANDREAS SOLARO

Zwischen Freitag und Sonntag zeigt sich in den klassischen Adria-Badeorten das gewohnte Bild vergangener Jahrzehnte. Scharen von Badegästen ziehen auf der Suche nach einem Hotel, einem Parkplatz oder nur einem Sonnenschirm mit zwei Liegen die Adriastrände entlang. Auf den Strandpromenaden, in den Restaurants und abends in den Clubs ist es in Cesenatico, Rimini, Riccione und den anderen Urlaubsorten so voll, dass man sich oft kaum noch bewegen kann.

Kaum hat sich jedoch der letzte Wochenendurlauber verabschiedet, kehrt im Vergleich zu früheren Sommersaisonen eine ungewöhnliche Ruhe ein. Unter der sengenden Sonne der Wochentage leeren sich die Strandpromenaden, die Strände und die Hotels – selbst im Juli. Die Hoteliers und Strandbadbetreiber tun sich schwer damit, sich mit diesem neuen Trend anzufreunden und ihn zu entschlüsseln.

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Simone Battistoni, Präsident des Verbands der Strandbadbetreiber Sib Confcommercio, glaubt, dieses Auf und Ab erklären zu können.

„Um diesen Trend zu verstehen, der je nach Wochentag widersprüchlich erscheint, müssen die ökonomischen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Die Riviera war schon immer ein Gradmesser dafür, wie gut es den Italienern geht. Sie war das Reich der italienischen Mittelschicht, die angesichts der Konsumkrise und der stagnierenden Löhne heute jedoch praktisch nicht mehr existiert. Die Familien, die früher sieben oder 14 Tage urlaubten, gibt es fast nicht mehr. Die Gäste bleiben nur noch kurz und selbst am Strand herrscht nur am Wochenende reges Treiben. Unter der Woche ist es ruhig, wenn auch einige Ausnahmen zu beobachten sind. Ich weiß, dass der ausländische Tourismus zunimmt. Das ist in einigen unserer Orte weniger zu beobachten als in anderen“, erklärt Simone Battistoni dem Corriere della Sera.

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Es ist das Janusgesicht des Sommers von Marina di Ravenna bis Riccione. Der Verkehr und die Menschenmassen der Samstage und Sonntage lösen sich am Montag auf und hinterlassen halbleere Lokale und Hotels. Dieses Phänomen zeugt von der Krise der Kaufkraft italienischer Familien, die sich für kürzere Urlaube entscheiden, die sich hauptsächlich auf die Wochenenden beschränken.

Während die Preise für Sonnenschirme und Liegen am Strand mit 25 bis 30 Euro pro Tag noch annehmbar erscheinen, sind es aus Sicht der Italiener die Kosten für Verpflegung und Unterkunft, die am stärksten ins Gewicht fallen. Nach dem Anstieg der Hotelkosten in den letzten Jahren und unter Berücksichtigung der Preise der Menüs in den Restaurants sowie der Zusatzausgaben droht der Urlaub für viele italienische Familien schnell unerschwinglich zu werden.

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Das Ergebnis ist eine stockende und schleppende Tourismussaison, die den Touristikern Sorgenfalten ins Gesicht treibt. Glücklicherweise gleichen die immer zahlreicheren ausländischen Besucher die fehlenden italienischen Gäste zumindest zum Teil aus. Im Mai und Juni machten sie in Rimini ein Drittel der Gesamtankünfte aus. Die Hoteliers freuen sich darüber, dass der Flughafen Federico Fellini täglich von London aus angeflogen wird. Im letzten Monat wurden auf der Strecke London–Rimini über 12.000 Passagiere gezählt. Hinzu kommen die Passagiere aus Krakau und Budapest, die Rimini ebenfalls bequem per Flug erreichen können.

Doch bleibt die Frage, ob die Riviera di Romagna den Anforderungen eines zunehmend internationalen Tourismus gewachsen ist. Um diese neuen Besucher anzulocken und vor allem zu halten, muss die Riviera ihre Angebote überdenken. Der Flughafen Rimini ist nach wie vor klein und muss dringend ausgebaut und modernisiert werden. Auch der Empfang der Gäste vor Ort – von den Hotels bis zu den öffentlichen Einrichtungen – zeigt die Last der Jahre und zeugt von der mangelnden Fähigkeit, sich an die neuen Erwartungen und Bedürfnisse der Reisenden anzupassen.

APA/APA/dpa/Markus Scholz

Die Adria-Badeorte befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel. Da der klassische Strandurlaub der 80er- und 90er-Jahre nicht mehr gefragt ist, sind die bekannten Badeorte von Marina di Ravenna bis Gabicce Mare nicht nur gezwungen, ihre Angebote anzupassen, sondern sich regelrecht neu zu erfinden.

Trotz knapperer Geldbeutel fahren die Italiener – und die Südtiroler – gerne in den Urlaub. Die Konkurrenz ist jedoch riesig: Vom Urlaub auf dem Bauernhof über den klassischen Badeurlaub in Süditalien bis hin zu allen ausländischen Urlaubsländern im Mittelmeerraum ist die Auswahl fast unbegrenzt.

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