Von: luk
Bozen – Die Landeshauptstadt Bozen steht vor wachsenden Herausforderungen durch den massiven Zustrom an Tagesgästen. Bürgermeister Claudio Corrarati warnt vor einem Verkehrskollaps und fordert kurzfristige wie langfristige Maßnahmen zur Besucherlenkung. Besonders an Wochenenden sorgen Unfälle auf der Brennerautobahn (A22), schlechtes Wetter in den Bergen und zahlreiche Touristen für ein Verkehrschaos und überfüllte Straßen im Stadtzentrum.
„Wenn wir nicht früh gegensteuern, wird Bozen regelrecht lahmgelegt“, warnt der Bürgermeister. Eine konkrete Maßnahme: Ab 8.00 Uhr morgens sollen Touristenfahrzeuge zu den Parkplätzen außerhalb des Stadtzentrums, etwa in der Zone „Siberia“ am Bozner Boden oder zur Messe, umgeleitet werden. „Warten wir bis 10.30 Uhr, ist es schon zu spät“, so Corrarati. Auch der Kommandant der Stadtpolizei Fabrizio Piras unterstütze diesen Ansatz.
Digitale Steuerung der Touristenströme
Für eine nachhaltige Lösung setzt die Stadt auf moderne Technologien. In Zusammenarbeit mit der Provinz soll ein digitales System entwickelt werden, das in Echtzeit Informationen etwa von Google Maps, Verkehrsleitsystemen, Hotels, dem öffentlichen Nahverkehr und touristischen Verbänden zusammenführt. Ziel sei es, Engpässe frühzeitig zu erkennen und gezielt zu steuern – auch über digitale Anzeigetafeln an der Brennerautobahn A22 und im Stadtgebiet.
Zwischen Overtourism und Overcrowding
Laut der Studie „Demoskopika 2025“ gehört Bozen zu den drei am stärksten vom sogenannten Overtourism betroffenen Städten Italiens – hinter Rimini und Venedig. Die Direktorin des örtlichen Tourismusverbandes, Roberta Agosti, relativiert jedoch: „Diese Zahlen beziehen sich auf die gesamte Provinz Südtirol. Für die Stadt Bozen selbst liegt der Belastungsindex lediglich bei neun – ein niedriger Wert.“ Dennoch sei eine Überfüllung (Overcrowding) im Zentrum spürbar. Die städtische Statistik „Bozen 2025 – Stadt in Zahlen“ zeigt Rekordwerte bei Ankünften (über 429.000) und Nächtigungen (fast 946.000), mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 2,2 Nächten.
Wirtschaftsvertreter und Gewerkschaften fordern klare Regeln
Philipp Moser, hds-Präsident, spricht sich für eine regulierte Besucherlenkung in ganz Südtirol aus. Er unterstützt den Vorschlag von Landesrat Luis Walcher zur Einführung eines Besuchermanagements an stark frequentierten Orten wie der Seceda. „Eine Begrenzung durch Reservierungspflicht oder Besucherobergrenzen ist nicht nur gerechtfertigt, sondern dringend notwendig“, so Moser. Als positives Beispiel nennt er den Pragser Wildsee, wo ein Reservierungssystem erfolgreich eingeführt wurde.
Auch die Gewerkschaft UILTuCS fordert rasches Handeln. Sie appelliert an die Landes- und Regionalbehörden, ein dauerhaftes interinstitutionelles Gremium einzurichten, um das Thema Overtourism langfristig zu bewältigen.
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