Er hat seine Eltern getötet

Prozess gegen Benno Neumair gestartet

Freitag, 04. März 2022 | 17:00 Uhr
Update

Bozen – Am heutigen Freitag hat in Bozen um 14.00 Uhr der Schwurgerichtsprozess gegen Benno Neumair begonnen. Der 30-Jährige ist angeklagt, am 4. Jänner vor einem Jahr seine Eltern Laura Perselli und Peter Neumair ermordet und ihre leblosen Körper in die Etsch geworfen zu haben. Auch Benno Neumair selbst ist im Gerichtssaal erschienen. Ihm droht im Falle eines Schuldspruchs lebenslange Haft.

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Im Vorfeld wurde der Platz vor dem Bozner Landesgericht abgeriegelt. Bei den Geschworenen handelt es sich ausschließlich um Frauen. Richter Carlo Busato hat den Vorsitz inne. Nur einer der drei Aushilfsgeschworenen ist ein Mann, berichtet die italienische Tageszeitung Alto Adige. Angesichts der Brutalität des Mordes könnte die Zusammensetzung des Geschworenengerichts zu einer harten Verurteilung führen.

Italienischen Medienberichten zufolge erschien Benno Neumair mit dunklem Haar und Brille im Gerichtssaal, sein Erscheinungsbild erinnerte an das, was er einst war: Mathematiklehrer in der Oberschule. Er soll kurz zurück in die Reihen weiter hinten geblickt haben, wo seine Schwester und seine Verwandten saßen. Er half seinem Anwalt beim Arrangieren der Robe und nahm dann Platz. Ansonsten wirkte er nach außen hin relativ emotionslos. Vor den Kameras senkte er den Blick.

Bekanntlich handelt es sich um keinen Indizienprozess. Benno Neumair hat die Tat gestanden. Wie berichtet, werden knapp 100 Zeugen im Rahmen des Prozesses zu Wort kommen. Das Geständnis allein könnte für die Anklage nicht genügen, um die Höchststrafe zu erreichen. Stattdessen soll genau rekonstruiert werden, was an jenem Tag geschehen ist.

Eltern mit Seil erdrosselt – Aufsehen weit über Südtirol hinaus

Der Fall hatte nicht nur in Südtirol, sondern in ganz Italien für großes Aufsehen gesorgt. Lange Zeit gab es von den Eltern, die am 4. Jänner 2021 verschwunden waren, keine Spur. Zwar verdichteten sich die Hinweise, dass sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnten, aber erst mehrere Wochen nach der Tat wurden die Leichen in der Etsch gefunden.

Es war intensiv nach den Vermissten gesucht worden. Mehrfach wurde über den Fall auch in einer italienweit ausgestrahlten und sehr beliebten Fernsehsendung berichtet – in der Hoffnung, Hinweise auf den Verbleib der beiden Lehrer zu finden. Dem Angeklagten wird nicht nur Doppelmord, sondern auch das Verstecken der Leichen zur Last gelegt.

Der 31-Jährige hatte anfänglich bestritten, etwas mit dem Verschwinden seiner Eltern zu tun zu haben, war aber sehr schnell in den Fokus der Ermittler gerückt. Daraufhin hüllte er sich in Schweigen und erst nach dem Auffinden der Leichen legte er ein Geständnis ab. Er soll die Eltern mit einem Seil erdrosselt haben. Der Tathergang konnte inzwischen von den Ermittlungsbehörden nahezu vollständig rekonstruiert werden.

Mehrere Gutachten

Am ersten Prozesstag kam es noch nicht zu einer Befragung des Angeklagten. Stattdessen ging es um den Antrag von Benno Neumairs Anwälten Flavio Moccia und Angelo Polo auf ein verkürztes Verfahren. Der Antrag der Verteidigung wurde aber schließlich vom Gericht – wie erwartet – abgewiesen. Alle beantragten rund 100 Zeugen wurden zugelassen.

Die Verteidigung wird vermutlich den Versuch unternehmen, zu beweisen, dass Benno Neumair zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war. Gutachtern zufolge leidet der 30-Jährige unter einer narzistischen Persönlichkeitsstörung. Dies habe seine Rolle als „schwarzes Schaf der Familie“ begünstigt. Benno Neumair hätte des Öfteren Anzeichen von Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen und einen Hang zu Impulsivität gezeigt – bei gleichzeitiger Schwierigkeit, seine Gedanken auf kohärente Weise zu ordnen. Darauf wird sich die Verteidigung vermutlich stützen.

Das psychiatrische Amtsgutachten, das sowohl von der Verteidigung als auch von der Staatsanwaltschaft angefochten wurde, kam hingegen zum Schluss, dass Benno Neumair nur teilweise zurechnungsfähig war, als er seinen Vater getötet hat. Weil er anschließend seiner Mutter auflauerte, bis diese nach Hause kam, gilt laut Gutachten nur der Mord an ihr als „geplante“ Tat, was einen Erschwernisgrund darstellt. Während er im Fall des Vaters aufgrund eines Streits die Kontrolle über sich verloren habe, sei er im Fall der Mutter laut Gutachten voll zurechnungsfähig gewesen.

Die Verteidigung wird voraussichtlich stattdessen auf die schweren Persönlichkeitsstörungen verweisen, die von sämtlichen Gutachtern bestätigt wurden, und unterstreichen, dass dadurch Benno Neumairs Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt stark eingeschränkt war.

Der Prozess wird am 18. März fortgesetzt.

Von: mk

Bezirk: Bozen