Von: mk
Innsbruck – In den hohen Lagen der Europäischen Ostalpen hat sich die Anzahl der detektierten Blitze im Verlauf der letzten 40 Jahre verdoppelt. Die Ursachen dafür liegen in den Folgen der Klimakrise. Das zeigt ein Innsbrucker Forscherteam von den Instituten für Geo- und Atmosphärenwissenschaften sowie Statistik nun erstmals im Fachmagazin Climate Dynamics.
Die Klimakrise führt heute und künftig zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen, wie der Weltklimarat IPCC bereits mehrfach dargelegt hat. Wie sich die Folgen der Erderwärmung auf kleinskalige und lokale Wetterphänomene wie beispielsweise die Blitzaktivität auswirken, ist bis heute nicht gänzlich verstanden.
Das Innsbrucker Team mit den Atmosphären- und Statistikwissenschaftlern Thorsten Simon, Georg Mayr, Deborah Morgenstern, Nikolaus Umlauf und Achim Zeileis hat nun durch eine spezielle Kombination von umfangreichen Datensätzen die Blitzaktivität von Wolke-Boden-Blitzen auf dem Gebiet der Europäischen Ostalpen für einen Zeitraum zwischen 1980 und 2019 in bisher einmaliger Präzision rekonstruiert.
„Wir verknüpfen in dieser Studie zwei Informationsquellen, die beide in einer räumlich-zeitlichen Auflösung von 32 km x 32 km und einer Stunde verfügbar sind. Aus diesen Datensätzen erhalten wir einerseits Informationen über die Blitzaktivität mit nahtlosen Aufzeichnungen über das letzte Jahrzehnt. Andererseits greifen wir auf Analysen über die letzten vier Jahrzehnte der atmosphärischen Bedingungen – inklusive der Wolkenmikrophysik – in einer stündlichen Auflösung zu“, erklärt Thorsten Simon. „Durch die Verwendung von maschinellen Lernverfahren konnten wir die lückenlosen Blitzmessungen der Jahre 2010 bis 2019 anhand von meteorologischen Daten abbilden. Dann haben wir mit dem maschinellen Lernverfahren und den meteorologischen Daten Blitzhäufigkeiten weiter in die Vergangenheit rekonstruiert, also für eine Zeit, in der es noch keine solchen Blitzmessungen gab. Und dies sogar bis hin zu Variationen im Tageszyklus.“
Die Daten stammen aus dem Blitzortungssystem ALDIS und die atmosphärischen Analysen aus der fünften Reanalyse ERA-5 des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF (ERA5).
Steigerung um 50 Prozent im Tagesverlauf
Das Bergland weist allein aufgrund seiner Topographie gute Bedingungen für die Entstehung von Gewittern auf. „Unsere Analysen über diesem Gelände haben nun ergeben, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen die Gewitter- und damit Blitzhäufigkeit noch weiter steigen lassen. Dass dieser Trend so eindeutig im Einklang mit den globalen Veränderungen des Klimasystems steht, hat uns auch überrascht“, betont Simon.
Die intensivsten Veränderungen traten laut den Innsbrucker Wissenschaftlern zwischen 1980 bis 2019 in den Hochalpen auf. „Dort hat sich die Blitzaktivität in den 2010er Jahren im Vergleich zu den 1980-er Jahren verdoppelt. In den hochgelegenen Bereichen der Ostalpen erreicht die Blitzsaison ein stärkeres Maximum und beginnt einen Monat früher. Im Tagesverlauf ist der Höhepunkt um bis zu 50 Prozent stärker, wobei es mehr Blitze am Nachmittag und Abend gibt“, sagt Thorsten Simon. „Ähnliche Signale entlang des südlichen und nördlichen Alpenrandes sind vorhanden, aber schwächer. Die flachen Gebiete rund um die Alpen zeigen keinen signifikanten Trend.“
Durch die umfassende Betrachtung verschiedener Prozesse über dem komplexen Gelände der Alpen leisten die Forscher:innen einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Zusammenhänge zwischen Wetter, Klima und Blitzaktivitäten. „Das ist nicht zuletzt für die entsprechende Entwicklung präventiver Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den möglichen Schäden durch Blitzeinschläge wichtig“, so Thorsten Simon.