Proteste ernst nehmen, aber Demokratie achten – ein Kommentar

Bunter Widerstand

Donnerstag, 14. Dezember 2023 | 01:48 Uhr

Bozen – Südtirols politische Zukunft scheint turbulent zu werden. Neu im Jahr 2023 ist nicht nur, dass die Sammelpartei, die vor sieben Wochen nur mehr 13 Mandate ergattern konnte, von ihrem hohen Ross heruntersteigen und echte Koalitionsverhandlungen führen muss, sondern auch, dass auf dem Platz vor dem Landtag, wo die SVP und ihre Partner in spe um Posten und Zuständigkeiten feilschen, mächtig demonstriert wird.

Mit Kerzen und einigen Transparenten „bewaffnet“, zogen mehrere Hundert Demonstranten durch die Innenstadt, bis sie den Landtag und die SVP-Parteizentrale in der Brennerstraße erreichten. Das Angebot der Damen und Herren am Koalitionstisch, die im Landtagsgebäude gerade dabei waren, ihre fünfjährige politische Zweckehe anzubahnen, eine Delegation der Protestgruppe zu empfangen und anzuhören, wurde von diesen ausgeschlagen.

svp

Weil der Haufen der Protestler ziemlich bunt ist, gäbe es in der Tat auch niemanden, der für sie gemeinsam sprechen könnte. Er reicht von linken und grünen Klimaaktivisten über Liberale, die mit der Rechts-Option Bauchschmerzen haben, bis hin zu jenen Tirolpatrioten, die sich noch an die Unterdrückung Südtirols durch den Faschismus erinnern. Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie die wahrscheinliche Koalition der SVP mit der Lega, den Freiheitlichen und Fratelli d’Italia ablehnen.

Die Politik soll diesen Lichtermarsch ernst nehmen. Andererseits würde es gewiss ebenfalls Proteste geben – diesmal halt von der anderen Seite – wenn sich die SVP anders entschieden hätte. Das Votum im Parteiausschuss war aber selten eindeutig.

Demokratie lebt davon, dass Bürger von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, aber den Protestierenden sei auch ins Buch geschrieben, dass die Wähler entscheiden, wer sie im Landtag vertritt, was bedeutet, dass letztendlich sie über mögliche Koalitionsvarianten entscheiden. Erringt eine Koalition im Landtag eine Mehrheit, um einen Landeshauptmann küren zu können, wird sie laut Autonomiestatut regieren. Gerade auch von jenen, die mit einer Kerze vor dem Landtag stehen, kann erwartet werden, dass sie demokratische Spielregeln achten.

Von: ka

Bezirk: Bozen