Von: mk
Über die Frage, welche Rolle Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus spielen, zoffen sich derzeit Starvirologe Christian Drosten und die „Bild“-Zeitung. Doch abgesehen von den Attacken des wohl einflussreichsten Boulevardblatts Deutschlands kommt auch Kritik von anderer Seite.
Eine Forschergruppe um Drosten ist Ende April zum Schluss gekommen, dass Kinder genauso ansteckend wie Erwachsene sein könnten. Allerdings hat nicht nur die „Bild“ die Kritik an der Charité-Studie aufgegriffen, sondern am Dienstag auch der „Spiegel“.
Tatsächlich ist in der Forschung derzeit umstritten, wie stark Kinder vom Coronavirus gefährdet sind und welche Rolle sie bei der Verbreitung der Krankheit einnehmen.
Zu Beginn der Pandemie galten Kinder in Forscherkreisen fast als immun. Inzwischen steht jedoch fest, dass Ansteckungen von Kindern durchaus möglich sind und dass Kinder das Virus auch übertragen, berichtet msn.com. Schwere Verläufe sind bei Kindern allerdings nach wie vor selten, noch seltener sind Todesfälle.
Einige Kinder werden jedoch von einer systemischen Gefäßentzündung heimgesucht, die dem Kawasaki-Syndrom ähnelt und das Folgeschäden wie Aneurysmen an den Herzkranzgefäßen mit sich bringen kann.
Doch wie häufig geben Kinder das Virus weiter? Die Ergebnisse aus Drostens Labor an der Charité legen nahe, dass ihre Rolle vergleichbar mit der von Erwachsenen sei. Es gibt aber auch Hinweise – beispielsweise aus Italien -, dass Kinder tatsächlich weniger erkranken könnten und auch seltener Überträger wären.
Statistik-Professor David Spiegelhalter an der Cambridge-Universität und der emeritierte Statistik-Professor Kevin McConway sprachen laut Spiegel auf Twitter in Zusammenhang mit der Charitè-Studie von einer „unangemessenen Analyse“ und verweisen auf eine detaillierte Untersuchung der von Drostens Team benutzten statistischen Methoden. „Der Preprint sollte zurückgezogen werden“, schreiben die beiden. Gleichzeitig fügten sie hinzu, dass sie sich lediglich zur statistischen Methoden äußern könnten, nicht zu anderen Aussagen der Studie.
Zum besseren Verständnis: Ein Preprint ist in eine Studie, die vorab veröffentlicht wird, sodass andere Forscher die Möglichkeit haben auf die Ergebnisse zuzugreifen, die Ergebnisse und Methoden zu bewerten und Anmerkungen zu machen. Normalerweise läuft dies allerdings nicht unter den Augen der Öffentlichkeit ab. Deshalb ist der Wirbel rund um die Kritik an der aktuellen Studie auch ungewöhnlich. Die von der Bild zitierten Forscher distanzierten sich zwar vom medialen Angriff auf Drosten, zogen ihre inhaltliche Kritik an der Studie allerdings ebenfalls nicht zurück.
Einer neuen Studie der Unikliniken Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm zufolge, die am Montag die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zitiert hat, gebe es „Signale“, „wonach Kinder bis zehn Jahre als Überträger eine untergeordnete Rolle spielen“.
Auch Drosten räumt inzwischen in seinem Podcast ein, dass die statistische Methode kritisiert werden könne. Für die medizinische Interpretation und die Deutung dieser Daten habe dies aber überhaupt keine Konsequenz. Derzeit bessert sein Team die Studie nach und will sie dann auch offiziell zur Veröffentlichung einreichen, wie es dem üblichen wissenschaftlichen Prozess entspricht.