Von: mk
Bozen – Yessica P. hat nach rund 40 Tagen endlich einen warmen Platz zum Schlafen gefunden. Wie berichtet, lebte die 20-Jährige in Bozen auf der Straße. Weil mehrere Frauen aus Gries sie mit Decken und Essen versorgten, schaffte sie es, die Kälte und die Einsamkeit zu überstehen.
Nachdem ihr Schicksal bekannt geworden war, boten private Bürger, aber auch der Betrieb für Sozialdienste von Bozen seine Unterstützung an. Nun wird ihr Fall offiziell betreut. Yessica ist volljährig und hat aus eigenen Stücken entschieden, wohin sie geht. Die Frauen aus Gries, die sie bislang unterstützt haben, sind erleichtert. Die 20-Jährige hat jetzt die Chance, von vorne anzufangen.
Yessica ist den Mitarbeitern der Sozialdienste bereits bekannt. Doch seit ein paar Wochen war sie aus dem Blickfeld der Streetworker verschwunden, zumal sie sich in einem Winkel im Laubengang vor der Guntschnapromenade zurückgezogen hatte.
Die Adoptiveltern von Yessica zeigten sich sehr betrübt über die Situation, in die ihre Tochter geraten ist. Wie berichtet, stammt die 20-Jährige ursprünglich aus Ecuador und wurde im Alter von sieben Jahren von einem italienischen Paar aufgenommen.
„Wir hatten seit 40 Tagen keine Nachricht von ihr. Wir hatten Angst, dass ihr etwas Schlimmes zugestoßen ist“, erklären die Eltern laut einem Bericht der italienischen Tageszeitung Alto Adige. Wie die Eltern betonen, haben sie Yessica nicht vor die Tür gesetzt. „Im Gegenteil, wir haben in an all den Jahren alles gemacht, um sie zu unterstützen“, so die Eltern. Die Entscheidung, den Kontakt abzubrechen, sei ihre gewesen.
Die Eltern hätten lediglich die Einhaltung gewisser Regeln verlangt. Doch Yessica hat sich damit nicht immer leicht getan. Aus ihrer Erzählung ergibt sich ein komplexes Bild. „Wir sind sehr mitgenommen. Bei der Schule und bei der Arbeit sind wir ihr beigestanden. Aber um konkrete Ergebnisse zu erzielen, braucht es auch eine bestimmte Entschlossenheit von ihrer Seite“, erklären die Eltern. Diese sei allerdings nicht immer vorhanden gewesen. „Wenn sie möchte, kann sie weiterhin auf unsere Unterstützung zählen.“
Viele junge Menschen tun sich schwer, ihren Platz im Leben zu finden. Manche von ihnen ziehen sich am Rand der Gesellschaft zurück – eine Situation, die auch die Familie belastet und die die Angehörigen mit Problemen konfrontiert, die größer sind als sie selbst.
Zum Glück gibt es Menschen wie jene Frauen aus Gries, die Yessica geholfen haben. Sie haben ihre Bürgerpflicht wahrgenommen und ihrem Nächsten geholfen. „Wenn ihr etwas Schlimmes zugestoßen wäre, hätten wir uns verantwortlich gefühlt“, erklären die Frauen. Leider gibt es viele Menschen wie Yessica, die auf der Straße unter dem Radar ihr Dasein fristen und nicht wahrgenommen werden.
Zwar treffen sie ihre eigenen Entscheidungen über ihre Zukunft. Doch die Gesellschaft hat die Pflicht, ihnen einen warmen Platz zum Schlafen, Essen und psychologische Betreuung zur Verfügung zu stellen.