Von: luk
Bozen – Ein Familienvater erzählt dem Tagblatt Dolomiten, wie es seiner Frau und seiner kleinen Tochter mit dem Südtiroler Sanitätsbetrieb ergangen ist, als es wirklich ernst wurde. Die beiden Geschichten sind kein Ruhmensblatt für die Südtiroler Krankenhäuser. Am Ende suchte sich die Familie in beiden Fällen private ärztliche Hilfe, da keine fristgerechte Behandlung möglich war.
Der Mann stellt jedoch die Frage, was Menschen tun, die sich keinen Privatarzt leisten können. „Müssen die ein halbes Jahr mit einer krummen Hand herumlaufen. Das kann es doch nicht sein.“
Fall Nummer eins betrifft die Frau des Mannes. Sie war im Dezember 2016 auf der Treppe gestürzt und hatte sich dabei das linke Handgelenk gebrochen. In der Notaufnahme wurde der komplizierte Handgelenksbruch gegipst.
„Nach einer Woche sollten wir wiederkommen, um den Heilungsprozess zu überprüfen. Es wurde wieder geröntgt und uns anhand der Röntgenbilder erklärt, dass eine Operation nötig sei und wir innerhalb einer Woche angerufen würden, um uns den OP-Termin mitzuteilen“, erzählt der Ehemann.
Ein Anruf kam aber nicht und so begab sich das Paar selbst ins Spital. „Da wurde uns mitgeteilt, dass diese OP nicht in Bozen, sondern in Schlanders durchgeführt werde. Wir sollten heimfahren. In zwei Tagen würden wir von Schlanders angerufen“, erzählt er gegenüber den „Dolomiten“ weiter.
Das Vertrauen war aber nicht mehr vorhanden und so fuhr das Ehepaar direkt nach Schlanders: „Oben angekommen, wusste man gar nichts von unserem Fall. Wir wurden gebeten, zu gehen, aber wir haben uns geweigert. Daraufhin teilte uns ein Arzt mit, dass der zuständige Arzt, der diese OPs macht, nicht da sei“, sagt er. Erneut sei das Paar aufgefordert worden, zu gehen. „Wir gingen aber nicht, wir wussten ja auch nicht wohin. Dann hat dieser Arzt den Chirurgen am Handy angerufen mit der Auskunft, dass dieser Hand-OP-Arzt Bozen per Mail längst mitgeteilt habe, dass er in den 14 Tagen vor Weihnachten keine Operationen mehr mache“, so der Mann.
So begaben sie sich wieder nach Bozen in die Orthopädie und stellten das Personal dort zur Rede. „Plötzlich behauptete ein Arzt, man hätte uns in der besagten ersten Woche nach dem Bruch angerufen. Tatsache ist, dass auf unseren Handys kein Anruf aufschien“, sagt der Mann. In der Folge diskutierten drei Ärzte der Orthopädie, wie nun weiter zu verfahren sei. „Einer war gegen eine stationäre Aufnahme, ein anderer dafür – mit dem Zusatz, dass man aber keinen OP-Termin garantieren könne. Daraufhin war das Spiel für uns fertig“, erzählt er.
Das Paar hat sich daraufhin an eine private Einrichtung gewandt und die Frau wurde innerhalb von drei Tagen operiert. Mehr als drei Wochen nach dem Bruch war das Gelenk fehlerhaft zusammengewachsen. Die Folge: erneuter Bruch, Korrektur und Schmerzen. Kostenpunkt 7.000 Euro.
„Die öffentliche Sanität ist nicht imstande, eine adäquate Behandlung zu garantieren“, so der Mann.
Fall Nummer zwei betrifft die einjährige Tochter des Mannes. Bei ihr wurde kürzlich von der Kinderbasisärztin ein verstopfter Tränenkanal festgestellt. Diese verschrieb eine prioritäre Visite, weil der Tränenkanal sonst mittels Eingriff geöffnet werden müsse. Das heißt, die Visite hat innerhalb acht Tage zu erfolgen. „Die Antwort im Meraner Krankenhaus: Dringend heißt frühestens in 50 Tagen.
Angesichts dieser Aussage ist die Familie gleich zum privaten Kinderarzt gegangen. „Da zahlen wir 40 Euro und verlieren nicht ganze Arbeitstage. Aber ich finde es eine Schweinerei, dass man zu den Gesundheitsleistungen, die für uns kostenlos sind, keinen Zugang hat. Wir fragen uns, was Menschen tun, die sich das nicht leisten können.“
ASGB: “Untragbare Zustände in der Sanität”
Der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) bezeichnet die Zustände im Südtiroler Sanitätswesen als äußerst prekär und fühlt sich durch die jüngst dokumentierten Patientenklagen in seinen Aussagen bestätigt.
„Im Sanitätswesen ist das worst case Szenario eingetreten: im Mittelpunkt steht nicht mehr die Heilung des Patienten, der Patient wird vielmehr als Wirtschafts- und Kostenfaktor betrachtet. Der Generaldirektor Thomas Schael selbst bezeichnet den Sanitätsbetrieb als einen Konzern. Mit dieser Aussage entlarvt er sich selbst und bestätigt in welche Richtung es unter seiner Leitung gehen soll: der Kapitalmaximierung ist alles andere unterzuordnen. Wir als Gewerkschaft haben nichts gegen ein kapitalstarkes Sanitätswesen, in erster Linie zählt aber das Wohl des Patienten und die Arbeitsbedingungen des Personals. Wenn nun laufend Patientenklagen eingehen, kann man das nicht ignorieren. Das Sanitätsressort ist aufgerufen diesem Missstand, der sich übrigens schon lange angedeutet hat, endlich angemessen zu begegnen und ein Machtwort zu sprechen“, kritisiert der Vorsitzende des ASGB, Tony Tschenett.
„Tatsache ist, dass es eine grundlegende, durchdachte Sanitätsreform braucht. Der Patient muss endlich wieder im Mittelpunkt stehen und die Mitarbeiter entlastet werden. Die Zeit oberflächlicher Korrekturen, um den schönen Schein zu erhalten, ist vorbei. Die Bevölkerung und das Personal wünschen sich ein funktionierende Gesundheitswesen. Dies ist auch nicht zu viel verlangt schließlich bezahlen sie es auch selbst“, schließt Tschenett.