Eltern auf Fotos wiedererkannt

Familie von Anthony wohl schon in Nordeuropa – VIDEO

Donnerstag, 16. November 2017 | 17:08 Uhr
Update

Bozen – Gegen die italienische Journalistin, die im Brixner Krankenhaus versucht hat, den kleinen Anthony aus Sierra Leone zu filmen, wird gerichtlich vorgegangen. Dies betonte die Staatsanwältin am Jugendgericht, Antonella Fava, Donnerstag auf einer Pressekonferenz.

Fava appellierte an die Berufsethik der Journalisten, die über den Fall berichten. Minderjähriger und der Privatsphäre genießen einen besonderen Schutz.

Wie berichtet, war der fünfjährige Bub zusammengekauert und stark unterkühlt unter einem Güterzug am Brenner gefunden worden. Mittlerweile ist sein Gesundheitszustand stabil.

Eine Dolmetscherin aus Sierra Leone versuchte von dem Buben Informationen über seine Familie zu erhalten. Demnach soll das Kind gemeinsam mit seinen Eltern und einer kleinen Schwester unterwegs gewesen sein.

Der Junge kannte nur wenige Wörter auf Englisch und Italienisch. Ein Gespräch ohne Übersetzung war demnach nicht möglich.

Staatsanwältin Fava, hielt die anwesenden Journalisten über die neuesten Entwicklungen zu dem Fall auf dem Laufenden und strich die gute Zusammenarbeit zwischen den Behörden hervor.

Die Dolmetscherin konnte herausfinden, dass das Kind den Anschluss an seine Familienangehörigen im Verlauf der Reise verloren hatte. Wo genau das passiert ist, blieb unklar.

Unterdessen liefen die Ermittlungen weiter, um herauszufinden, wer die Eltern des Kindes sein könnten. Derzeit wird vermutet, dass sich die Familie bereits in Nordeuropa aufhält. Deshalb wurde auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden angestrebt.

Offenbar hat Anthony seine Eltern auf Fotos wiedererkannt, die Flüchtlingsorganisationen zur Verfügung gestellt haben. Wie es das Gesetz vorschreibt, hat das Jugendgericht in der Zwischenzeit einen provisorischen Vormund ernannt und es wurde die Unterbringung in eine Pflegefamilie organisiert, sollten die Eltern nicht gefunden werden.

Laut Jugendstaatsanwältin muss außerdem geklärt werden, warum es zur Trennung zwischen der Familie und dem Kind kam und warum die Eltern ihre Reise fortgesetzt haben.

Auch Quästor Giuseppe Racca lobte die gute Zusammenarbeit – nicht nur unter den Polizeikräften, sondern auch mit Hilfsorganisationen und Freiwilligen aus Italien, die Behörden sehr geholfen haben. Der Fall löste auch auf nationaler Ebene großes Medieninteresse aus.

 

Sanität zu Fall Anthony: “Recht von Kindern mit Füßen getreten”

Auch der Sanitätsbetrieb reagiert auf die auswärtige Journalistin, die sich am Mittwoch “unerlaubterweise Zugang zur Abteilung Pädiatrie im Krankenhaus Brixen verschafft hat”, um Aufnahmen vom dort eingelieferten Flüchtlingskind zu machen. Dieses war vor zwei Tagen allein und stark unterkühlt unter einem Eisenbahnwaggon am Brenner gefunden worden. Das Gesundheitsressort des Landes und die Verantwortlichen des Südtiroler Sanitätsbetriebes appellieren an die Medien, die Gesetze und die von der Journalistenkammer vorgegebenen Regeln zum Schutze Minderjähriger einzuhalten.

Minderjährige sind durch das Gesetz besonders geschützt. Auch die Berufsdeontologie für Journalisten und Journalistinnen schützt Kinder und Jugendliche verstärkt. Festgehalten ist dies in der so genannten „Carta di Treviso“, einer Selbstverpflichtung, welche von der italienischen Journalistenkammer und der Vereinigung „Telefono azzurro“ gemeinsam erarbeitet und unterschrieben wurde.

Darin ist unter anderem festgelegt, dass Journalisten und Journalistinnen in der Berichterstattung verpflichtet sind, die Anonymität von Minderjährigen zu garantieren: „Dieses Recht wurde gestern von einer Journalistin aus Rom mit den Füßen getreten, indem sie trotz des vom Personal des Südtiroler Sanitätsbetriebes ausgesprochenen Verbots in das Zimmer des Jungen eindrang und vom minderjährigen Patienten Aufnahmen machte“, betont der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes.

Der ärztliche Direktor des Krankenhauses Brixen, Martin Ogriseg, informierte unverzüglich die Generaldirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes über den Vorfall, die sich sofort daran machte, die Faktenlage zu erheben. Der Direktor der Rechtsabteilung, Marco Cappello, hat sich heute mit den Funktionären des Polizeikommissariats Brixen getroffen, die nach dem Vorfall die Erhebungen durchgeführt und auch mit der Journalistin sowie dem Personal der Abteilung Pädiatrie, wo der kleine Anthony untergebracht ist, gesprochen haben.

Kritik von Schael

Generaldirektor Thomas Schael kritisiert das an den Tag gelegte Verhalten der Journalistin scharf, die zu dem geschwächten und erschütterten kleinen Patienten trotz der Kontrollen sowie der klaren und eindeutigen Anweisungen durch das Personal des Südtiroler Sanitätsbetriebes vorgedrungen ist, wo sie dann auf frischer Tat ertappt und anschließend entfernt wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Journalistin weder als solche ausgewiesen noch ihren Namen mitgeteilt hat.

Rechtliche Schritte möglich

Aus diesem Grund hat der Sanitätsbetrieb in Absprache mit dem Land Südtirol die Staatsanwaltschaft kontaktiert, um zu überprüfen, ob rechtliche Schritte gegenüber der Journalistin vorzunehmen sind. Die Journalistenkammer wird aufgerufen, diesen Vorfall klar und deutlich zu verurteilen und dafür zu sorgen, dass kein Bild des kleinen Anthony weder in den lokalen als noch in den nationalen Medien veröffentlicht wird.

Generaldirektor Schael betont, dass der Minderjährige dem Sanitätsbetrieb zu Obhut übergeben wurde. “Auch bei vollster Anerkennung der Pressefreiheit und des Rechts zur Information darf es aber in keinem Fall soweit kommen, dass ein Kind, das bereits ein schweres Schicksal trägt, auch noch Gegenstand eines journalistischen „Scoops“ wird.”

Das Verhalten erscheine umso unangebrachter, als der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Brixen Martin Ogriseg für Medienauskünfte zur Verfügung gestanden hätte und auch im Laufe des Tages verschiedene Interview gegeben hat.

Von: mk

Bezirk: Bozen, Eisacktal