Von: luk
Bozen – Jährlich am 25. November findet der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Dieser Gedenktag geht auf die Ermordung der drei Schwestern Mirabal zurück, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst nach monatelanger Folter getötet wurden. Ihr Mut, sich gegen den Tyrannen aufzulehnen, gilt als Symbol für das Eintreten gegen jegliches Unrecht.
“Gewalt an Frauen hat viele Gesichter, sie tritt in allen Gesellschaftsschichten und Lebensbereichen auf. Laut ISTAT sind in Italien ca. neun Millionen Frauen, im Alter zwischen 14 und 65 Jahren, im Laufe des Lebens von sexueller Belästigung physischer und psychischer Natur betroffen. Am Arbeitsplatz haben laut einer ISTAT Studie zur Sicherheit der Italienerinnen und Italiener aus dem Jahre 2016 1.404.000 Frauen im Laufe ihres Arbeitslebens sexuelle Übergriffe und/oder sexuelle Erpressung erfahren, das sind ca. 8.9 Prozent der arbeitenden oder sich auf Arbeitssuche befindenden Frauen. Die meisten Fälle kommen jedoch nie zur Anzeige. Laut obiger Studie haben 80,9 Prozent mit Niemanden über die Gewalt am Arbeitsplatz gesprochen. Angegebene Gründe dafür sind unter anderem das fehlende Vertrauen in die Ordnungskräfte”, erklärt Gleichstellungsrätin Morandini.
“Neben sexuellen Delikten am Arbeitsplatz sind Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen häufiger von Mobbing betroffen. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Mobbing aufgrund von Schwanger- oder Mutterschaft zu. Laut dem nationalen Observatorium für Mobbing (Osservatorio nazionale mobbing) haben in den Jahren 2013 bis 2015 800.000 Frauen gekündigt, davon gaben 350.000 Frauen als Grund für die ungewollte Kündigung Diskriminierungen an, die sie aufgrund ihrer Schwanger- und Mutterschaft erfahren haben”, so die Gleichstellungsrätin.
„Viele Mütter kündigen. Sie wissen, dass sie im Betrieb nicht mehr erwünscht sind, sind verschiedenen Formen von Diskriminierungen ausgesetzt und kündigen, um der Situation zu entfliehen“, so Morandini.
Morandini unterstreicht die zentrale Rolle der Führungskräfte und der Unternehmenskultur. „Frauen müssen das Gefühl haben, geschützt zu werden. Arbeitgeber haben die Pflicht, die physische und moralische Integrität der Arbeitnehmerin zu schützen“. Der Betrieb müsse präventive Maßnahmen setzen, indem er unter anderem durch gezielte Maßnahmen in eine respektvolle und gewaltfreie Unternehmenskultur investiert. Kommt es dann doch zu Gewalt am Arbeitsplatz, müssten Führungskräfte sofort eingreifen und Maßnahmen setzen, um das Opfer zu schützen.
Die Gleichstellungsrätin macht oft die Erfahrung, dass Unternehmen nur auf Druck eingreifen. „Es wird versucht, eine Rechtfertigung für das Verhalten des Täters zu finden oder das Ganze als ‚nicht so schlimm’ zu sehen. Fazit: Es wird signalisiert, dass es im Betrieb geduldet wird, und die Frau wird oftmals vom Opfer zur Täterin“. “Unternehmen vergessen dabei oft, dass Gewalt am Arbeitsplatz nicht ein Problem des Einzelnen ist, sondern auch des Unternehmens, betont Morandini. Gewaltdelikte im Betrieb produzieren Kosten und schaden dem Ansehen des Betriebes. Aus diesem Grunde lohnt sich die Investition in eine respektvolle und gewaltlose Unternehmenskultur.”
Frauen im Südtiroler Landtag zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen
Gewalt gegen Mädchen und Frauen hat viele Gesichter. Das sagen auch die Frauen im Südtiroler Landtag. Gewalt geschehe täglich und überall. Oft sei sie unsichtbar. “Mädchen und Frauen sind ihr häufig über Jahre, Jahrzehnte oder gar ein ganzes Leben lang ausgeliefert. Wenn uns Nachrichten über Gewalt an Frauen erreichen, sind wir entsetzt und betroffen – wir sind sprachlos und hoffen, dass unsere Töchter, Nichten und Freundinnen und auch wir selbst von gewaltsamen Übergriffen verschont bleiben.”
“Selbst im kleinen Südtirol häufen sich die Nachrichten über sexuellen Missbrauch, über häusliche Gewalt, Frauenhandel… Mord! Vier Frauen sind in den vergangenen acht Monaten in Südtirol brutal ermordet worden. 94 Frauen waren es in ganz Italien, in Österreich waren es 16 seit Jahresbeginn. Erschreckende Zahlen, die Angst machen. Unsere Gesellschaft darf Gewalt nicht hinnehmen! Für Gewalt gibt es niemals eine Rechtfertigung”, heißt es weiter.
“Wir fordern Sicherheit, wir brauchen Aktionen, die unser Dasein schützen. Wir müssen das Thema laut und deutlich ansprechen, wir müssen das Schweigen brechen und unsere Forderungen klar zum Ausdruck bringen: Buben- und Mädchenerziehung zu Hause, im Kindergarten, in der Schule muss gezielter gestaltet werden. Über Beratungsangebote für Betroffene muss besser informiert werden, Hilfe muss leicht erreichbar sein. Eltern und Lehrer müssen mit Kindern und Jugendlichen offen über frauenverachtende Internetseiten sprechen, deren Inhalte für jeden zugänglich sind und das Frauenbild komplett verfälschen. Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen fordern wir Landtagsabgeordnete alle SüdtirolerInnen dazu auf, ein klares „Nein“ gegen Gewalt zu setzen. Frauen und Mädchen, seid stark und mutig, lasst Gewalt nicht über euch ergehen, wehrt euch und sprecht darüber! Männergewalt gegen Frauen darf niemals toleriert und tabuisiert werden”, so die Frauen im Landtag.
STF: “Jedes Opfer ist eines zu viel”
Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen weisen die Frauen der Süd-Tiroler Freiheit mit aller Härte darauf hin, dass es jede Art von Gewalt an Frauen und Mädchen abzulehnen und zu bestrafen gilt. Verschiedenen Studien zufolge werde jede vierte Frau Opfer eines Gewaltdeliktes. Gewalt an Frauen und Mädchen hat verschiedene Formen – körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt. Gewalt werde in der Familie, in der Schule oder am Arbeitsplatz verübt. “Allzu oft holen sich diese misshandelten Mädchen und Frauen, wenn überhaupt, erst nach langer Zeit des Leidens Hilfe von außen.”
“Obwohl diese Gewalttaten mitten unter uns geschehen, Tendenz steigend, wird dieser Problematik leider viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Damit Unterstützungs- und Beratungsangebote sowie Prävention gezielt bereitgestellt werden können, bedarf es aufschlussreiche Studien und Details, wie z.B. Schweregrad, soziale Muster oder zu den unterschiedlichen Formen von Gewalt an Frauen.” Deshalb fordern die Frauen der Süd-Tiroler Freiheit, dass in der Europaregion Tirol eine umfangreiche Studie zwischen Sicherheitsbehörden, Krankenhäusern und Schulen durchgeführt wird. Gewalt an Frauen dürfe kein Tabuthema bleiben, denn jedes Opfer sei eines zu viel.
Unterberger fordert Politik auf, immer mit gutem Beispiel voran zu gehen
„Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Sonntag ist nicht nur ein einfacher Gedenktag“, unterstreicht SVP-Senatorin Julia Unterberger. „In Italien wird alle 72 Stunden eine Frau getötet – dieses traurige gesellschaftliche Phänomen ist heute mehr denn je eine Herausforderung, der sich gerade die Politik stellen muss.“
„Die Feminizide sind dabei nur die Spitze des Eisberges“, erklärt Julia Unterberger und erinnert an die vielfältigen Formen körperlicher und psychischer Gewalt: „Meist schafft es diese in einem Land, in dem eine stark patriarchalisch geprägte Kultur vorherrscht, gar nicht erst in die Schlagzeilen.“ In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben die Polizeikräfte rund 10.000 Anzeigen aufgenommen, die Misshandlungen in der Familie betreffen – und 8.500 wegen Stalkings sowie 3.000 wegen sexueller Gewalt.
„In den vergangenen Monaten haben verschiedene Regierungsmitglieder zum Thema Gewalt das Wort ergriffen“, sagt Julia Unterberger. Darunter seien auch einige löbliche Initiativen gewesen: So etwa, gerade bei den Delikten gegen Frauen, den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einen Vorrang einzuräumen – oder die Einführung von elektronischen Armbändern als Unterstützung der vorbeugenden Maßnahmen gegen Straftäter. „Wahrscheinlich wird dies allein aber nicht zu einer merklichen Verbesserung der Situation führen“, sagt Julia Unterberger und fordert: „Man muss gleichzeitig den Ursachen dieses Phänomens auf den Grund gehen.“ Und diese lägen in der strukturellen Herabwürdigung des weiblichen Geschlechts, welche der wahre Ursprung der männlichen Gewalt sei.
Bedauerlicherweise gingen die diesbezüglichen Verhaltensweisen einiger Regierungsmitglieder in die entgegengesetzte Richtung. Julia Unterberger erinnert daran, was der Innenminister vor wenigen Tagen gegen drei Studentinnen, die gegen die Regierung demonstriert hatten, in den sozialen Medien gepostet hat: „Dies hatte tausende hasserfüllte und sexistische Kommentare zur Folge – darunter der Wunsch, dass die Studentinnen das gleiche Schicksal wie Desirée Mariottini ereilen solle, die auf tragische Weise starb, nachdem sie in Rom unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden ist.“ Die entsprechenden Posts seien bis heute nicht vom Account des Ministers gelöscht worden – geschweige denn, dass dieser sich öffentlich davon distanziert habe.
„Es sind gerade die Politiker, allen voran jene, welche die wichtigsten institutionellen Ämter inne haben, die jegliche Form von Gewalt gegen Frauen – ob in Worten oder in Taten – mit Nachdruck verurteilen müssen“, betont Julia Unterberger. Die Politik habe die Pflicht, geeignete Maßnahmen zu schaffen, um eine Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Die Gewalt gegen Frauen sei nämlich auch auf ein strukturell bedingtes Machtgefüge zurückzuführen: „So lange das Verhältnis zwischen den Geschlechtern durch Ungleichheit und Abhängigkeit gekennzeichnet ist, wird die Gewalt gegen Frauen leider immer zur Tagesordnung gehören.“