Von: mk
Bozen – Zum Tag gegen Gewalt an Frauen sind wir immer auch aufgerufen, genau hinzuschauen, welche Formen von Gewalt es gibt, wo Gewalt anfängt, welche Art von Gewalt sich hinter bestimmten Verhaltensweisen verbirgt. Die grüne Fraktion wurde auf ein verstecktes Phänomen der Gewalt aufmerksam: das Gaslighting.
Der Begriff rührt vom englischen Theaterstück „Gas Light“ von 1938 her. Es geht darin um die Beziehung eines Ehepaars, in der der Mann versucht, seine Frau in den Wahnsinn zu treiben. So verschwinden Dinge im gemeinsamen Haus und tauchen an den eigenartigsten Orten wieder auf. Die Frau kann sich dies nicht erklären und ihr Mann redet ihr ein, dass sie selbst die Dinge verlegt habe und sich nicht mehr daran erinnern könne. Zudem flackert das Gaslicht im Haus auf eine eigenartige Weise, was der Mann ebenfalls bestreitet und ihr unterstellt, sie bilde es sich nur ein. Es stellt sich heraus, dass der Mann selbst für die Geschehnisse im Haus verantwortlich ist und seine Frau bewusst terrorisiert, indem er ihre Wahrnehmung in Frage stellt.
„Diese erschreckende Form von Gewalt muss auch in Südtirol bekannt und benannt werden“, so die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa. Sie hat zusammen mit ihren Kollegen Dello Sbarba und Staffler einen Beschlussantrag im Landtag eingebracht, der kommende Woche behandelt wird.
„In seiner schlimmsten Form läuft Gaslighting in einer Beziehung darauf hinaus, dass es eine ‚gesunde‘ Person gibt, die mehr oder weniger immer recht hat, und eine zweite Person, die ‚nicht gesund‘ ist und immer falsch liegt. Das Opfer von Gaslighting vertraut seinen eigenen Gefühlen nicht mehr, weil diese vom Gegenüber marginalisiert und ihre ‚Richtigkeit‘ in Frage gestellt werden. Stellt sich das Opfer mit zunehmender Häufigkeit die Frage, ob es einerseits den Aussagen des oder der anderen noch glauben – und andererseits den eigenen Empfindungen noch trauen kann, dann ist es der Kontrolle des Gegenübers schon ausgeliefert“, erklären die grünen Abgeordneten.
Sie verweisen darauf, dass beispielsweise die Bayerische Landesverwaltung den Begriff „Gaslighting“ als Unterform von Psychischer Gewalt institutionalisiert und somit einen ersten Schritt gemacht hat, um das Problem als solches zu erfassen und dagegen vorzugehen. Diesem Beispiel könne und müsse Südtirol folgen, um diese Form der psychischen Gewalt gezielt zu bekämpfen, so die Grünen.
Im Übrigen war es der Abgeordneten Foppa gelungen, in den LGE gegen Gewalt an Frauen (LRin Deeg) einen Passus einzufügen, der als „Gewalt“ auch jene Formen bezeichnet, „die künftig als solche definiert werden und (…) jene, die von Frauen als solche wahrgenommen wird.“
Wie wichtig es ist, von so einem dynamischen Gewaltbegriff auszugehen, zeigt das Beispiel „Stalking“. Erst seit wenigen Jahren ist uns dieser Begriff bekannt. Seit 2009 ist Stalking in Italien eine Straftat. Auch vor 2009 gab es Opfer von Stalking. Allerdings war es für Opfer dieser terrorisierenden Form des Nachstellens vor 20 Jahren schwierig, sich selbst, ihrem Umfeld und nicht zuletzt dem Rechtsstaat begreiflich zu machen, welche Art von Unrecht ihnen geschah – da es eben das Konzept „Stalking“ gar nicht gab. Heute ist der Begriff geläufig, Stalking wird erkannt und benannt. Dass Stalking im schlimmsten Fall zu Gewaltverbrechen bis hin zu Mord führt, wurde Südtirol im März 2020 durch die Tötung einer jungen Frau in Eppan durch ihren Stalker vor Augen geführt.
Der Beschlussantrag sieht vor, das Phänomen „Gaslighting“ als Form von psychischer Gewalt anzuerkennen, gegen das es gezielt vorzugehen gilt.
Außerdem verlangt der Antrag, den Internetauftritt „Gewalt hat viele Gesichter“ der Landesverwaltung zu aktualisieren und ihn um neue Erkenntnisse, Anlaufstellen etc. zu ergänzen.
Es ist dies ein Beitrag der grünen Fraktion im Südtiroler Landtag zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.