Die geplanten Swift-Konzerte waren kurzfristig abgesagt worden

Hauptverdächtiger zu Swift-Terrorplänen psychisch auffällig

Dienstag, 03. September 2024 | 13:20 Uhr

Von: apa

Im Zug der strafrechtlichen Ermittlungen zu einem mutmaßlich vereitelten Terror-Anschlag auf ein Konzert von Taylor Swift in Wien Anfang August kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass es beim Hauptverdächtigen psychische Auffälligkeiten geben könnte. Die Jugendgerichtshilfe empfiehlt eine “ausführliche psychiatrische Abklärung hinsichtlich des Gesundheitszustands des jungen Mannes”, um allenfalls “erforderliche Interventionen” einleiten zu können.

In einem siebenseitigen Bericht, der der APA vorliegt, hat sich die Jugendgerichtshilfe ausführlich mit dem 19-Jährigen auseinandergesetzt, der als junger Erwachsener gilt und bei dem somit noch die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) zum Tragen kommen. Die Behörde, die die Staatsanwaltschaften und Gerichte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt, sieht beim mutmaßlichen Anhänger der radikalislamischen Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS) mehrere Risikofaktoren. Dieser verfüge – abgesehen von seiner Familie – über kein soziales Netz und habe seine Lehre im vergangenen Juli “aufgrund seiner psychischen Verfassung” abgebrochen. Vom Bundesheer wurde er bei seiner Stellung als untauglich eingestuft – wegen angeblicher “Unbeweglichkeit”. Bis zu seiner Festnahme hatte der 19-Jährige keine geregelte Tagesstruktur. Die Nächte verbrachte der 19-Jährige an der Playstation, die Tage bis weit in den Nachmittag hinein im Bett.

Eigenen Angaben zufolge konsumierte der Hauptverdächtige seit Jahresbeginn neben Cannabis missbräuchlich das Arzneimittel Lyrica, ein Antiepileptikum, dessen Wirkstoff auch bei neuropathischen Schmerzen und Angststörungen eingesetzt wird. Infolge des Medikamentenmissbrauchs habe der 19-Jährige “unter Verfolgungswahn gelitten und teilweise Stimmen gehört”, heißt es im Bericht der Jugendgerichtshilfe. Um von seinem Suchtmittelkonsum und seinen Wahnvorstellungen loszukommen, habe er Hilfe von einer “islamischen Heilung” erhofft und nach einer von einem Imam vorgenommenen Ruqyah (eine Art Exorzismus, Anm.) gesucht.

Der gläubige Muslim dürfte sich über soziale Medien radikalisiert haben. Auf TikTok konsumierte er aber nicht nur Videos von radikalen Predigern – mit Hingabe schaute er sich auch Katzenvideos an. Seit seiner Inhaftierung wird der Terror-Verdächtige psychologisch und von einem Deradikalisierungsverein betreut, dem gegenüber er sich vom IS und dessen Anschlägen distanziert und versichert haben soll, er sei nie Mitglied des IS gewesen.

Der 19-Jährige hat gegenüber der Jugendgerichtshilfe explizit bestritten, Anschlagspläne verfolgt zu haben. Er könne seine Inhaftierung “nicht nachvollziehen”, die bei ihm vorgefundenen Chemikalien – schwefelige Säure, Wasserstoffperoxid und acetonhaltiger Nagellackentferner – wären “Teil eines jeden herkömmlichen Haushalts”. Er habe bei der nach seiner Festnahme erfolgten Beschuldigteneinvernahme nicht die Wahrheit gesagt, gab der 19-Jährige an. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt in einem aus dem Konsum von Cannabis und Lyrica herrührenden “Rauschzustand” befunden und “nicht klar denken können”. Außerdem habe er “Angst vor Polizeigewalt” gehabt und sich selbst belastet, um nicht einen Schlagstock auf die Hände geschlagen zu bekommen.

Werner Tomanek, der Verteidiger des 19-Jährigen, wird am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Wien ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten präsentieren, das nach seinem Dafürhalten den Hauptverdächtigen entlastet. Die Expertise von Ingo Wieser – einer der renommiertesten Sachverständigen für Waffen, Munition und Sprengmittel – komme zum Schluss, dass der 19-Jährige nicht über die Kapazitäten für einen Sprengstoffanschlag verfügte, sagte Tomanek zuletzt gegenüber der APA. Die dem bisher gerichtlich unbescholtenen jungen Mann unterstellten Terror-Pläne hätten sich nicht einmal ansatzweise “in Ausführungsnähe” befunden: “Die Arbeitshypothese der DSN (Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, Anm.) ist vom Tisch.”