Von: apa
Die europäische Raumsonde “Juice” befindet sich auf Kurs in Richtung Planet Jupiter – wenn auch auf Umwegen. Auf der Hunderte Millionen Kilometer langen Reise dorthin steht nämlich zunächst, knapp eineinhalb Jahre nach dem Start, am 19. und 20. August ein spezielles Manöver bevor: Es handelt sich laut der Raumfahrtagentur ESA um einen als riskant eingestuften “ersten Vorbeiflug eines Raumfahrzeugs am Mond und an der Erde”.
Die Sonde “Juice” (Jupiter Icy Moons Explorer), die am 14. April 2023 an Bord einer Ariane-5-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guyana) gestartet ist, soll im Juli 2031 den Jupiter erreichen und dort den größten Planeten unseres Sonnensystems sowie seine Eismonde Europa, Kallisto und Ganymed erkunden. Das nun anstehende Flugmanöver ist unabdingbar: Mond und Erde werden durch ihre Schwerkraft die Flugbahn von Juice durch den Weltraum verändern, sie “abbremsen” und auf den Kurs für einen Vorbeiflug an der Venus im August 2025 bringen, wie es seitens der ESA am Freitag bei einem Mediengespräch hieß. Die komplizierte Flugbahn mit mehreren Vorbeiflügen an Mond, Erde und Venus dient u.a. dazu, Treibstoff zu sparen.
Der Hauptfokus der Manöver – Juice wird sich zuerst am 19. August dem Mond (um 23.28 Uhr MESZ) bis auf 700 Kilometer nähern und einen Tag später an der Erde (um 23.57 Uhr MESZ) mit einem Abstand von 7.000 Kilometern vorbeifliegen – liege auf der Flugroutengestaltung. Die Vorbeiflüge seien aber auch eine sehr gute Chance, die an Bord befindlichen Geräte zu testen und zu kalibrieren, so Claire Vallat, eine an der Juice-Mission beteiligte, leitende ESA-Wissenschafterin. Man wolle in “bestmöglicher Form” zum Jupiter, was den Zustand der komplexen Systeme betrifft, an denen u.a. auch österreichische Wissenschafterinnen und Wissenschafter beteiligt sind, so Juice-Missionsmanager Nicolas Altobelli.
Für die nun anstehenden Tests werden die sonst aus Gründen des beschränkten Energiehaushaltes mehr oder weniger flächendeckend abgeschalteten Instrumente kurzfristig aufgedreht. Die “Flybyes” seien eine “clevere Abkürzung” auf dem weiten Weg und eine große wissenschaftliche Hilfe: “Jedes gute physikalische Experiment braucht eine gute Kalibrierung”, betonte Altobelli. Das Erdmond-Umfeld sei gewissermaßen vergleichbar mit dem Zielort jenseits des Asteroidengürtels. Manches könne man einfach nicht im Labor analysieren, wie etwa die Frage, wie die verschiedenen Systeme in der All-Umgebung im Ensemble funktionieren, für das sie konstruiert wurden. Außerdem bringe die nun anstehende Missionsphase das weit verzweigte Forscher- und Technikerteam “enger zusammen”, erklärte Altobelli.
Dazu gehören auch die Architekten der ausgeklügelten Reise, wie etwa Arnaud Boutonnet, Juice-Mission Analyst, oder Raumfahrttechniker Giulio Pinzan. Vieles an der sehr “ambitionierten Mission” mit zahlreichen Manövern, bis man in den endgültigen Orbit um Jupitermond Gaymed einschwenkt, auf dem die Sonde dann voraussichtlich 2035 einschlagen wird, sei “komplett neu”, sagte Boutonnet. Die Technologie für derartige Flüge – der Mond wird sonst eigentlich nicht in solche Manöver miteinbezogen – sei nun vorhanden. Man könne das Programm aller Voraussicht nach präzise durchziehen. Denn: Je genauer die Vorbeiflüge ablaufen, desto weniger muss später unter größerem Treibstoffaufwand korrigiert werden, so die Wissenschafter: “Fehler summieren sich nämlich auf.”
Auch Grazer Weltraumforschende fiebern dem Manöver entgegen: Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist an drei Instrumenten an Bord der Sonde beteiligt. Es kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments RPWI und ist Mitglied im wissenschaftlichen Team des Teilchenspektrometers PEP. Gemeinsam mit Forschenden der Technischen Universität (TU) Graz entwickelte man ein Quanteninterferenz-Magnetometer als eines des insgesamt drei Sensoren umfassenden Magnetometers J-MAG.
Ebenfalls beteiligt ist Österreichs größtes heimisches Weltraumunternehmen Beyond Gravity, das die am Thermalproduktionswerk in Berndorf (NÖ) produzierte Thermalisolation für die Jupitersonde und somit den Schutz vor den extremen Temperaturen im All lieferte.
(S E R V I C E – Zur Positionsverfolgung von Juice: https://juicept.esac.esa.int/where/)