Gut gemeint, doch oft fatal

Jungvögel am Boden: Vertraut nicht eurem Impuls

Freitag, 25. Juli 2025 | 08:02 Uhr

Von: mk

Bozen – Ein gefiederter Jungvogel sitzt scheinbar hilflos am Boden – das Herz sagt: retten! Doch genau das kann dem Tier das Leben kosten. Der Österreichische Tierschutzverein warnt eindringlich: Hände weg von sogenannten Ästlingen. Sie sind nicht verlassen, sie lernen gerade fliegen.

Renée Koller ist oft die erste Ansprechperson beim Österreichischen Tierschutzverein. In den letzten Tagen rufen viele Menschen mit denselben Fragen an: „Ich habe einen kleinen Vogel am Boden gefunden – braucht er Hilfe? Was soll ich tun?“ Koller kennt solche Fälle gut – nicht nur im Frühling, auch im Sommer häufen sie sich. Mit klaren Tipps hilft sie Fehler zu vermeiden, die den Tieren womöglich schaden könnten.

Ästlinge sind nicht verlassen – sondern in der Bettelflugphase

Dr. Vera Marashi, Verhaltensbiologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Österreichischen Tierschutzverein, klärt auf: „Ein nackter, kaum befiederter Vogel ist ein Nestling – der braucht Hilfe, wenn er am Boden sitzt. Ein bereits befiederter, unbeholfener Jungvogel ist meist ein Ästling. Er ist in der Bettelflugphase und sollte in Ruhe gelassen werden. Denn Ästlinge verlassen das Nest freiwillig, bevor sie fliegen können, um genau das zu lernen.“

Wer sitzt denn da am Boden – Nestling oder Ästling?

Wer den Unterschied kennt, hilft, ohne zu stören.

• Nestling: kaum befiedert, hilflos, außerhalb des Nestes: Er braucht Hilfe.
• Ästling: befiedert, ruft laut, macht unbeholfene Flugversuche, sitzt am Boden: Bitte in Ruhe lassen!

Lernen durch Beobachten und Nachahmen

Der Ästling lernt durch Beobachten und Nachahmen, wo und wie er in freier Wildbahn Futter finden kann. Ebenso lernt der Ästling, welche Gefahren drohen und wie er sich entsprechend verhält. Wer hier aus Mitgefühl eingreift, stresst das Jungtier unnötig, unterbricht die Versorgung durch die Eltern und bringt den Vogel in echte Gefahr.

Nur bei echter Gefahr eingreifen!

Nur wenn ein Jungvogel, ob Nestling oder Ästling, eindeutig zu früh aus dem Nest gefallen ist, Verletzungen aufweist oder sich in akuter Gefahr befindet – beispielsweise durch den Straßenverkehr oder Katzen –, darf eingegriffen werden. In vielen Fällen genügt es, den Jungvogel zurück ins Nest zu setzen, in ein nahes Gebüsch oder auf einen Ast. So bleibt der Kontakt zu den Eltern erhalten.

Gut gemeint ist oft gefährlich

Dr. Vera Marashi appelliert an alle Tierfreunde: „Bitte versuchen Sie nicht, einen jungen Vogel auf eigene Faust zu pflegen! Das ist selbst für Experten eine Herausforderung, gelingt Laien fast nie und kostet die kleinen Vögelchen oft das Leben.“ Stattdessen sollte man eine Wildtierstation, Tierärzte oder einen Tierschutzverein kontaktieren. Dann kann man gemeinsam überlegen und planen, wie dem Tier am besten geholfen werden kann.“

Aufklären statt eingreifen

Der Österreichische Tierschutzverein fordert Umsicht bei der Rettung von Wildtieren. Wenn man einen scheinbar verlassenen Jungvogel findet, sollte man ihn zuerst aus sicherer Entfernung beobachten. Meist sind die Eltern in der Nähe und versorgen das Jungtier. Nur wenn keine Altvögel auftauchen oder eine klare Gefährdung besteht, ist ein behutsames und bedachtes Eingreifen nötig.

Bezirk: Bozen

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