Von: luk
Brixen – Markus Heiss, Präsident des Fischereivereins Eisacktal sowie des Landesfischereiverbandes Südtirol, zeigt sich nach einer Entscheidung des Kassationsgerichts überglücklich. Dieses hat nämlich ein Kraftwerksprojekt im Aferer Bach der Stadtwerke endgültig einen Riegel vorgeschoben.
“Die ENA (Energie Albeins Ges.m.b.H.), an welcher die Stadtwerke Brixen mit 60 Prozent beteiligt sind, wollte um jeden Preis ein ökologisch fatales und zudem ökonomisch fragwürdiges Kraftwerksprojekt im Aferer Bach durchdrücken – und hat nun definitiv Schiffbruch erlitten!” Der Rechtsweg des Fischereivereins Eisacktal habe sich ausgezahlt, so Heiss.
Mit Urteil Nr. 19020/2019 hat das Kassationsgericht den Rekurs der ENA (Energie Albeins Ges.m.b.H.) gegen das vorangegangene Urteil des Obersten Wassergerichts in Rom für unzulässig erklärt. Somit ist das Kraftwerksprojekt der ENA im Aferer Bach gestorben. Doch der Reihe nach, was war passiert?
“An der ENA halten die Stadtwerke Brixen AG, welche wiederum voll im Eigentum der Gemeinde Brixen und somit in öffentlicher Hand sind, 60 Prozent. Die restlichen Anteile verteilen sich auf die Energiegenossenschaft Albeins (14 Prozent), das Bodenverbesserungskonsortium Albeins (14 Prozent) sowie die Trinkwasserinteressentschaft Albeins (zwölf Prozent) (Stand 2016). Seit mittlerweile 15 Jahren versuchen die Stadtwerke Brixen bzw. die Energiegenossenschaft Albeins ein E-Kraftwerk am Aferer Bach zu errichten. Das nun verhinderte Kraftwerks-Projekt der ENA sah die Wasserfassung in Afers auf rund 1.300 m Meereshöhe und das Krafthaus oberhalb von Albeins auf einer Meereshöhe von knapp 700 m vor”, erklärt der Präsident des Landesfischereiverbandes Südtirol.
“Dadurch wäre der Aferer Bach auf einer Strecke von rund sechs Kilometern zu einer Restwasserstrecke mit einer sehr geringen Wasserführung degradiert worden, und das grundbücherlich verankerte Fischereirecht des Fischereivereins Eisacktal de facto komplett entwertet – in einem Rinnsal fischt es sich nun mal nicht! Die Dienstellenkonferenz für den Umweltbereich hat im Jahr 2015 dem Projekt ein negatives Gutachten ausgestellt, u.a. mit Bezug auf das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie mit der Begründung, dass der Aferer Bach einen ausgewogenen und intakten Fischbestand aufweist. Die Dienststellenkonferenz hat – zusammenfassend – festgestellt, dass der Aferer Bach sich sowohl als Fischlebensraum als auch zur Fischereibewirtschaftung eignet”, so Heiss.
“Die ENA war naturgemäß über das negative Gutachten wenig erfreut und hat im August 2016 Aufsichtsbeschwerde bei der Südtiroler Landesregierung eingereicht – nicht ohne bewusst falsche Behauptungen aufzustellen, welche der Landesregierung suggerieren sollten, dass der Fischereiverein Eisacktal sein Eigen-Fischereirecht im Aferer Bach als uninteressant einschätzen würde. Aufgrund des mutmaßlich enormen politischen Drucks aus Brixen (die Stadtwerke Brixen hatten ja in der Zwischenzeit erfahren, dass das Oberste Wassergericht das Kraftwerksprojekt in der Achenrainschlucht versenkt hat, an dem Brixen beteiligt war) hat die Südtiroler Landesregierung die Aufsichtsbeschwerde der ENA durch Beschluss LR Nr. 1301 vom 29.11.2016 angenommen – und sich somit über das negative Gutachten der Dienststellenkonferenz hinweggesetzt”, heißt es weiter.
Der Fischereiverein Eisacktal sah sich in Folge gezwungen, im Februar 2017 einen Rekurs gegen den Beschluss der Landesregierung beim Obersten Wassergericht in Rom einzureichen. Erfreulicherweise sei das Gericht den Argumenten des Fischereivereins Eisacktal gefolgt und hat dessen Rekurs im Herbst 2017 angenommen, womit der fragwürdige Beschluss der Landesregierung annulliert und das Kraftwerksprojekt der ENA (vorerst) gestoppt wurde, erklärt Heiss.
Mit Verwunderung hat der Fischereiverein Eisacktal in Folge festgestellt, dass die ENA – trotz des eindeutigen Urteils des Obersten Wassergerichts in Rom – im Jänner 2018 einen Rekurs beim Kassationsgerichtshof eingereicht hat. In der Zuversicht, auch in dieser Instanz Recht zu bekommen, hat der Fischereiverein Eisacktal beschlossen, sich in das Verfahren einzulassen. “Wie das rechtskräftige Urteil des Kassationsgerichts jetzt gezeigt hat, war diese Entscheidung richtig!”
“Der Fischereiverein Eisacktal ist über das Urteil naturgemäß erleichtert, zumal verhindert werden konnte, dass ein weiteres Kleinkraftwerk einen Fischlebensraum zerstört. Dieses Urteil ist nicht nur für den Fischereiverein Eisacktal von Bedeutung, sondern für die gesamte Fischerei Südtirols. Unter anderem lassen sich aus der Urteilsbegründung
zentrale Aussagen zu Gunsten der Fischerei herauslesen:
1. Das Gericht erkennt nicht nur – wie in einem Rechtsstaat zu erwarten – die Fischereirechte als solche an, sondern leitet daraus auch eine Klagelegitimation für die Fischereirechtsinhaber ab.
2. Das Gericht erklärt das Gutachten der Dienststellenkonferenz zwar als nicht verbindlich, trotzdem rügt es die Landesregierung, die “wissentlich davon abgewichen ist” (unter einer fadenscheinigen Begründung).
3. Das Gericht greift inhaltliche Aspekte aus dem Gutachten der Dienststellenkonferenz auf und folgt diesen.
4. Das Gericht stellt grundsätzlich fest, dass eine Ableitung zur hydroelektrischen Nutzung nicht “automatisch” genehmigt werden kann, nur weil der Wasserlauf als “poco sensibile” eingestuft würde.”
Aufgrund der Tragweite dieses Urteils hat sich der Fischereiverein Eisacktal dazu entschlossen, die wichtigsten Gerichtsakten, inklusive deutschsprachiger Interpretation des Urteils, den Mitgliedern des Landesfischereiverbandes Südtirol kostenlos zur Verfügung zu stellen. Interessierte Mitglieder können sich direkt an den Landesfischereiverband wenden (office@fischereiverband.it), die Unterlagen stehen ab Anfang September digital zur Verfügung.
Heiss zu Kleinkraftwerken allgemein
Allgemein betrachtet seien besonders Kleinkraftwerke alles andere als grün: “Sie erzeugen nur sehr wenig Strom, tragen also wenig zur CO2-Reduzierung bei, beeinträchtigen den Gewässerlebensraum aber überproportional (z.B. im Vergleich zu gut funktionierenden modernen Großkraftwerken). Die über 820 (!!) Kleinkraftwerke Südtirols tragen lediglich drei Prozent zur Gesamtstromproduktion aus Wasserkraft bei, mit fatalen Folgen für die Umwelt. Wirtschaftlich rentabel sind Kleinkraftwerke in vielen Fällen auch nur, sofern sie durch uns Steuerzahler über Subventionen querfinanziert werden. Von einem Allgemeininteresse oder Umweltschutz kann bei Kleinkraftwerken also keine Rede sein, vielmehr werden Partikularinteressen (der Betreiber) auf Kosten der Allgemeinheit bedient”, so Heiss.
Welcher Beigeschmack bleibt von der Geschichte?
“Als Fischereirechtsinhaber, vor allem aber als Steuerzahler und Bürger der Gemeinde Brixen, fragt man sich schon, warum die lokale öffentliche Verwaltung (Gemeinde Brixen als Eigentümer der Stadtwerke) dermaßen verbissen an der Realisierung dieses Kraftwerkprojektes festgehalten hat, denn auch die ökonomische Sinnhaftigkeit des Projektes war äußerst fragwürdig: Hinter vorgehaltener Hand bestätigen involvierte Techniker, dass beim Kraftwerk Aferer Bach von Amortisierungszeiten von rund 25 Jahren auszugehen ist – trotz optimistischer Schätzung der Abflussmengen im Aferer Bach! Angesichts der Klimaveränderung, mit den sich abzeichnenden geringeren Niederschlägen, die zudem unregelmäßiger und oft in Form von Starkregen fallen (Hochwasser sind energetisch praktisch nicht nutzbar) und den gefallenen Strompreisen, dürfte sich in Wirklichkeit ein noch längerer Amortisierungszeitraum ergeben. Ein privater Investor hätte jedenfalls die Hände von solch einem riskanten Projekt gelassen. Die Gemeinde Brixen muss sich jedenfalls den Vorwurf gefallen lassen, mit Steuergeldern ein ökologisch und wirtschaftlich sehr fragwürdiges Projekt, inklusive teurer Gerichtsverfahren, vorangetrieben zu haben. Insgesamt dürfte die ENA nämlich rund 120.000 Euro an (großteils) Steuergeldern in den Sand gesetzt haben”, schließt der Landesfischereiverband.