Tiere und Gewässer im Wandel

Klimawandel in den Alpen: Forschende warnen vor wachsenden Gefahren

Donnerstag, 06. November 2025 | 10:09 Uhr

Von: luk

Davos – Die Alpen erwärmen sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt – mit gravierenden Folgen für Natur, Landschaft und Lebensraum. Forschende des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos warnen in mehreren aktuellen Studien vor einer „rasanten und potenziell bedrohlichen“ Entwicklung.

Mehr Naturgefahren durch tauenden Permafrost

Wie eine vom SLF koordinierte Auswertung von über 300 wissenschaftlichen Arbeiten zeigt, nimmt die Zahl von Steinschlägen, Murgängen und Bergstürzen deutlich zu. Der Grund: Gestein verliert durch das Abschmelzen des Permafrosts seine Stabilität. „Dieser Wandel stellt die Gesellschaft im Alpenraum vor große Herausforderungen“, betonen die Forschenden Samuel Weber und Mylène Jacquemart.

Auch Messdaten aus neun europäischen Gebirgsregionen – von Spitzbergen bis zur Sierra Nevada – belegen den Temperaturanstieg im Untergrund. Laut Jeannette Nötzli vom SLF stieg die Temperatur des Permafrosts in zehn Metern Tiefe an manchen Orten um mehr als ein Grad Celsius in den letzten zehn Jahren.

Schneedecke schwindet, Frühling kommt früher

In vielen Regionen der Schweizer Alpen ist die durchschnittliche Schneehöhe zwischen November und April seit 1962 um rund acht Zentimeter pro Jahrzehnt gesunken. „Wir sehen hier ganz klar die Folgen des Klimawandels“, sagt Christoph Marty, Klimatologe am SLF.

Auch die Vegetation reagiert: Pflanzen beginnen im Durchschnitt sechs Tage früher zu wachsen als noch vor 25 Jahren. Laut SLF-Forscher Michael Zehnder ist es nach der Schneeschmelze heute im Mittel zwei Grad wärmer als früher. Das führe zu Veränderungen in der Artenvielfalt – und Spätfröste könnten sich negativ auf Pflanzen wie Heidelbeeren auswirken.

Tiere und Gewässer im Wandel

Selbst Tierarten wie Murmeltiere passen sich an die neuen Bedingungen an. Wie die Biologin Anne Kempel herausfand, verlagern sie ihren Lebensraum in höhere Lagen – wenn auch weniger stark als erwartet.

Zudem steigen die Temperaturen in Berggewässern kontinuierlich. Eine Untersuchung der Hydrologin Amber van Hamel zu 177 Gebirgsflüssen in Europa zeigt: Extremereignisse häufen sich, und mit ihnen Risiken für Wasserqualität, Fischbestände und Energieproduktion.

„Hotspot“ des Klimawandels

Das SLF spricht von den Alpen als einem „Klimawandel-Hotspot“. Die Forschenden beobachten tiefgreifende Veränderungen in Schnee, Eis, Boden und Ökosystemen – und warnen, dass die Anpassung an diese neuen Bedingungen für die Menschen im Alpenraum zu einer der größten Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte wird.

Das SLF ist ein international anerkanntes Forschungsinstitut der WSL und der ETH Zürich. Es erforscht Naturgefahren, Schnee, Eis und alpine Ökosysteme und liefert unter anderem das tägliche Lawinenbulletin.

Bezirk: Bozen

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