Von: mk
Bozen – Ein erneuter Lockdown kündigt sich an, mehr als 8.000 Menschen sind in Südtirol in Quarantäne, die Enge wird erneut zum Problem. Psychologenkammer, Forum Prävention und Sanitätsbetrieb haben sich mit rund 30 weiteren Organisationen zum Netzwerk PSYHELP zusammengeschlossen und Empfehlungen für günstiges Verhalten entwickelt.
Vor allem wenn die Räumlichkeiten eng sind und Garten oder Terasse fehlen, kann ein sogenannter „Dichtestress“ entstehen. Durch die ungewohnt lange gemeinsame Zeit treten schwierige Situationen in der Partnerschaft oder im Familienleben auf. Gewohnheiten können plötzlich schwerfällig erscheinen, was bisher funktioniert hat, bekommt negative Wendungen. Obwohl man sich bisher verstanden hat, entstehen plötzlich Spannungen und die Geduld kommt abhanden. All dies kann sich in Streit entladen, bis hin zu emotionalen und physischen Gewalthandlungen.
Ermöglicht allen Familienmitgliedern Rückzugsmöglichkeiten, gegebenenfalls gestaffelt bei mangelnden Räumlichkeiten. Macht einen täglichen Familienrat, wo individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Ideen geäußert werden. Jeweilige Befindlichkeiten und Stimmungslagen können auch angesprochen werden. Betont das, was bereits gut läuft.
Sprecht eigene Bedürfnisse, Grenzen und höflich Ihren Ärger aus, noch bevor Situationen eskalieren. Sätze wie „Mich ärgert ein Verhalten von dir in dieser bestimmten Lage, vielleicht liegt es auch an mir“ ist anders als „Du bist ein unverbesserlicher Egoist“. Macht euch eure eigene Gefühlslage bewusst. Auch „unangenehme“ Gefühle wie Ärger und Wut verdienen es wahrgenommen und vorsichtig geäußert zu werden.
Versucht unterschiedliche Strategien im Umgang mit diesen Gefühlen: Liegestützen oder Klimmzüge bei offenem Fenster, eine Entspannungsübung, Autogenes Training, Atemmeditation – alles, was entspannt und auf angenehme Gedanken bringt, kann unterstützen. Seid geduldiger, nachsichtiger und milder als sonst, sich selbst und den anderen gegenüber. Gönnt euch was Besonderes, am besten in Absprache mit euren Liebsten. Achtet auf ausreichend Schlaf!
Gewalt entgegensteuern
Die derzeitigen Lebensbedingungen und damit einhergehende Unsicherheiten können eine Reihe „unangenehmer“ Gefühlszustände und Konflikte auslösen. Bevor Gewalt zum Ventil für diese Gefühlszustände wird, muss man aktiv gegensteuern. Gewalt kann sich körperlich (Schlagen, Treten, Schubsen, Halten, Fixieren, sexuell missbrauchen) und emotional (Beschimpfen, Beleidigen, Bedrohen, Ignorieren) ausdrücken. Spitzt sich ein Konflikt zu, tragen bestimmte Verhaltensweisen zu einer Beruhigung der Situation bei. Versucht euch selbst zu beruhigen: Atmet bewusst und tief ein und aus, vermeidet Panik und Hektik.
Denken an eure eigene Sicherheit: Stellt euch der Person nicht frontal entgegen, haltet Abstand, geht nicht auf sie zu, vermeidet Körperkontakt. Achtet auf Ihre Körpersprache: Vermeidet hektische und ausladende Bewegungen, starrt die Person nicht an (ohne den Blick vollkommen abzuwenden), sprecht klar und nur so laut wie nötig.
Lasst euch nicht provozieren, ignoriert Beschimpfungen, widersprech nicht, bleib sachlich. Vermeidet provokative Angriffe und Beleidigungen, verzichtet auf Warnungen, droht keine Konsequenzen an, beschämt oder kritisiert das Gegenüber nicht. Seid ihr in einer Situation, in der ihr oder andere Anwesende möglicherweise gefährdet seid, verlasset den Ort und sucht Schutz (bei Nachbarn, Passanten, Polizei).
Sobald ihr merkt, dass Sie selbst anderen gegenüber aggressiv oder gewalttätig werden, sucht nach Strategien um Ihre Mitmenschen zu schützen: Verlasst „riskante“ Situationen unmittelbar und versucht euch zu beruhigen (versucht bewährte Strategien einzusetzen: atmet tief durch, trinkt etwas, beweget euch, ruft einen Freund oder eine Freundin an usw.).
Scheut euch nicht, auch in solchen Situationen Fachpersonen zu kontaktieren. Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, erleben derzeit eine besondere Belastungs- und Risikosituation. Beratung und Unterstützung können Sie kostenlos und anonym bei Einrichtungen für Frauen in Gewaltsituationen erhalten.