Netzwerk Suizidprävention zieht Bilanz

„Lehren aus der Coronakrise“

Donnerstag, 10. September 2020 | 15:38 Uhr

Bozen – Die teils fatalen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Psyche der Menschen standen im Mittelpunkt der Tagung, zu der das Südtiroler Netzwerk Suizidprävention auch heuer anlässlich des internationalen Tages der Suizidprävention ins Pastoralzentrum geladen hat. Fachleute und Interessierte haben dabei Stärken und Schwächen ausgemacht, die in diesen außergewöhnlichen sechs Monaten, darunter auch dem Lockdown, zutage getreten sind. Ziel war und ist es, die Suizidprävention zusätzlich zu verbessern, besonders auch in Hinblick auf mögliche weitere solcher Krisen. Soziallandesrätin Waltraud Deeg sicherte dem Netzwerk in ihrem Grußwort die Unterstützung des Landes zu.

Verschiedene Studien, auch in Südtirol, haben bereits belegt, wie gravierend die psychischen Folgen des seit dem Frühjahr andauernden gesundheitlichen Notstands für viele Menschen waren und immer noch sind. Vor allem Ängste, Vertrauensverlust und andere mentale Belastungen aufgrund der Bedrohung durch das Virus, der sozialen Isolation oder angesichts existenzieller, finanzieller Probleme haben vielen Menschen sehr zugesetzt. „Bei der Tagung heute haben wir eindrucksvolle persönliche Erfahrungsberichte und auch Schicksalsgeschichten aus Südtirol gehört. Uns war es wichtig, Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachbereichen zu Wort kommen zu lassen, die zuletzt stark gefordert waren“, erzählt Guido Osthoff, Bereichsleiter der Caritas und Koordinator des Netzwerks. „Besonders eindringlich waren die Schilderungen der Kollegen, die direkt mit psychischen Krisen oder sogar mit der Suizidalität oder dem Tod von Mitmenschen konfrontiert waren, wo aber das Abschiednehmen und Trauern nicht oder nur eingeschränkt möglich waren“, ergänzt die Co-Moderatorin der Tagung, die Psychologin und Psychotherapeutin Sabine Cagol.

„In der Ausnahmesituation der vergangenen Monate lastete auf vielen Menschen ein enormer Druck, weil sie sich unter extremen Bedingungen um andere kümmern mussten. Heute bei der Tagung wurde auch sichtbar, dass sich dies nicht selten auch negativ auf die Helfenden selbst ausgewirkt und zum Teil ernste psychische Folgen hinterlassen hat“, bestätigt Roger Pycha, Primar des psychiatrischen Dienstes am Krankenhaus Brixen. „Auch wenn die Langzeitfolgen der Pandemie noch nicht absehbar sind, sollten wir hieraus die angemessenen Lehren ziehen, um auf zukünftige Krisen besser vorbereitet zu sein.“

„Der Suizidpräventionsplan und die darin enthaltenen 11 Ziele wurden in ihrer Dringlichkeit durch die Corona-Pandemie verstärkt“, erläutert Peter Koler, Direktor des Forum Prävention. „Im Rahmen des mit der Landesregierung abgestimmten Plans legen wir den Grundstein für ein strukturiertes Vorgehen im Bereich der Sensibilisierung und Gesundheitsförderung sowie der Früherkennung, Beratung und Behandlung.“ Die geplanten Maßnahmen richten sich nicht nur an spezifische Risikogruppen, sondern an die gesamte Gesellschaft, genauso wie an verschiedene Fachbereiche des öffentlichen Dienstes, an die Medien sowie an Forschungseinrichtungen in Südtirol.

Landesrätin Waltraud Deeg bedankte sich im Namen der Landesregierung bei allen Einrichtungen, die sich in den vergangenen Monaten besonders um Menschen in seelischer Not gekümmert haben. „Der Covid-19-Notstand hat uns gezeigt, dass vieles im Südtiroler Hilfssystem funktioniert, einiges aber zu verbessern ist. Daher wird das Land weitere Schritte im Rahmen eines Südtiroler Suizidpräventionsplans aktiv unterstützen.“

Von: mk

Bezirk: Bozen