Von: mk
Bozen – Es hat nie einen offensichtlichen Ausdruck von Reue gegeben, keinen verzweifelten Brief, keine Entschuldigung, keinen Versuch, wenigstens auf minimale Weise die Beziehung zur eigenen Schwester wieder aufzunehmen. Das erklärt zumindest Madè Neumair, die Schwester von Benno Neumair, der gestern zum ersten Mal vor Gericht wegen des Mordes an seinen Eltern stand.
Bekanntlich muss sich der 30-Jährige einem Schwurgerichtsverfahren am Bozner Landesgericht stellen. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Gestern wurde erneut ein Antrag seiner Anwälte auf ein verkürztes Verfahren abgelehnt.
Im Gerichtssaal hat Benno Neumair dann aber doch den Blickkontakt zu seiner Schwester gesucht, dies wurde von ihr jedoch nicht erwidert. „Ich wollte ihn nicht anschauen, ich habe ihm nichts zu sagen“, erklärt Madè Neumair laut einem Bericht der italienischen Tageszeitung Alto Adige. Die Schwester des Angeklagten ist nicht davon überzeugt, dass ihr Bruder krank ist.
„Ich glaube nicht, dass er seine Tat bereut hat. Ich habe nie ein Wort in diese Richtung von ihm gehört“, betont Madè Neumair. Psychiatrischen Gutachtern zufolge habe Benno Neumair unter dem Wettstreit innerhalb der Familie mit seiner Schwester gelitten. Doch Madè Neumair hält auch davon wenig: „Ich glaube nicht, dass dem so ist, denn ich habe nie irgendeine Form von Konkurrenz ihm gegenüber empfunden. Deshalb zweifle ich daran, dass er dieses Gefühl gehabt haben soll.“
Auch ihre Eltern hätten beiden Kindern stets dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt. „An Weihnachten achtete etwa meine Mutter sehr genau darauf, dass für uns beide die Geschenke gleich viel kosteten. Wie jede Mutter war sie darauf bedacht, ihren Kindern gleich viel zu geben“, erklärt Madè Neumair Vielleicht habe ihr Bruder einfach sein eigenes Leben als ein Scheitern empfunden.
Auf die Frage, ob sie ihrem Bruder je verzeihen kann, antwortet sie: „Glücklicherweise habe ich nie Gefühle wie Hass oder Wut verspürt. Zum Glück denke ich auch wenig an Benno, obwohl ich manchmal Albträume habe.“