Von: mk
Lana/Salurn – Den dritten Winter in Folge ziehen die Hirten Daniel Paratscha und Sandra Hofer mit ihrer Schaf- und Ziegenherde den Etschdamm entlang. Seit diesem Jahr sind sie Teil einer spannenden Studie, die von Johanna Platzgummer und Franziska Zemmer gemeinsam mit den Hirten initiiert und von der AG Weidekultur, dem Heimatpflegeverein Margreid und dem Heimatpflegeverband Südtirol getragen wird. Ziel ist es herauszufinden, ob durch gezielte Beweidung entlang der Etsch gebietsfremde Pflanzenarten bekämpft und dadurch mehr vielfältige Lebensräume geschaffen werden können.
Im Jahr 2023 startete das Landesamt für Wildbach- und Lawinenverbauung Süd ein Pilotprojekt zur geführten Beweidung am Etsch-Damm. Dabei wird untersucht, inwiefern die herkömmliche Pflege durch Mulchen mit dem Einsatz von Weidetieren kombiniert werden kann. Die praktische Umsetzung liegt in den Händen des Hirten Daniel Paratscha aus La Villa (Stern) im Gadertal. Gemeinsam mit seiner Partnerin Sandra Hofer – ebenfalls Hirtin – führt er seine rund 150 Schafe und zwölf Ziegen umfassende Herde von Mitte Oktober bis Ende Mai zwischen Lana und Salurn am Damm entlang. Elf Hunde leisten ihnen dabei Hilfe.
Schon bald haben die beiden Hirten bei ihrer Arbeit festgestellt, dass ihre Tiere die meisten dort vorkommenden Neophyten problemlos fressen, darunter den Japanischen Staudenknöterich, das Indische Springkraut, die Kanadische Goldrute und die Stauden der Herbstaster. Auch nagen sie die Stämmchen der weit verbreiteten Robinie außen ab, die in der Folge abstirbt. Nur das giftige Schmalblättrige Greiskraut entfernen die Hirten von Hand.
Wissenschaftliche Studie
Auf Grundlage dieser praktischen Beobachtungen entwickelten Johanna Platzgummer, Historikerin und Naturvermittlerin vom Naturmuseum Südtirol, und die Botanikerin Franziska Zemmer ein Projekt und die nun laufende wissenschaftliche Studie. Die zentralen Fragen dabei: Welche Neophyten sind entlang der Etsch zu finden? Und lässt sich deren Verbreitung durch gezielte Beweidung effektiv eindämmen oder sogar verhindern? Flussläufe tragen grundsätzlich zur Verbreitung von Neophyten bei und sind daher ideale Studienorte. Für das Projekt hat Franziska Zemmer auf der Innenseite des Dammes Testflächen ermittelt, auf denen sie jeweils vor der Beweidung sowie im Sommer danach die Pflanzenbestände dokumentiert. Manche Bereiche werden gezielt, andere locker beweidet. Wieder andere bleiben unberührt. Auf einigen nicht beweideten Testflächen reißen Freiwillige des Heimatpflegevereins Margreid die Neophyten gezielt aus.
Uralte Kulturtechnik stärken
„In der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass Beweidung ein wirkungsvolles Mittel gegen invasive Pflanzen entlang von Flussläufen sein kann“, erklärt die Botanikerin ihre Vorgangsweise. „Doch nur eine wissenschaftliche Untersuchung kann das endgültig belegen.“ Sollte sich die Beweidung bewähren, hätte das gleich mehrere Vorteile: die natürliche Eindämmung invasiver Pflanzen, die Wiederansiedlung heimischer Ufervegetation, die Schaffung neuer Lebensräume für Kleintiere und daraus folgend die Regeneration von Nahrungsketten. Außerdem könnte die Freilandhaltung von Weidetieren – eine uralte Kulturtechnik – gestärkt und die Bedeutung des Hirtenberufs unterstrichen werden.
Träger des Projekts sind die Arbeitsgemeinschaft Weidekultur, der Heimatpflegeverein Margreid und der Heimatpflegeverband Südtirol, die sich seit jeher für den Erhalt naturnaher Lebensräume und traditionell bewirtschafteter Kulturlandschaft einsetzen. „Das gezielte Beweiden ist ein wichtiges Werkzeug, um die gewachsene Kulturlandschaft zu erhalten“, erklärt HPV-Geschäftsführer Florian Trojer. „Deshalb unterstützt der Verband dieses Projekt mit Überzeugung.“ Auch Thomas Thaler, Direktor des Landesamts für Wildbach- und Lawinenverbauung Süd, ist von der Zusammenarbeit angetan: „Die Beweidung ergänzt unsere bisherigen Pflegearbeiten sehr gut. Bedenken, dass der Damm dadurch beschädigt werden könnte, haben sich bislang nicht bestätigt.“
Die wissenschaftliche Begleitstudie wird auch im kommenden Jahr fortgeführt, um klare Empfehlungen für die Zukunft treffen zu können.




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