„Danke, ihr habt mich gut kuriert“

Nach dem Unfall: Chloe umarmt Bozen

Samstag, 11. Januar 2020 | 18:18 Uhr

Bozen/Sexten/Sidney – Im Bozner Krankenhaus schien für Chloe Kennedy die Welt am dunkelsten, doch genau hier hat ihr Leben auch einen neuen Anfang genommen. Die 31-jährige Australierin ist seit 13. Februar 2017 nach einem schrecklichen Skiunfall am Helm im Hochpustertal an den Rollstuhl gefesselt. Trotzdem ist sie nun nach Bozen zurückgekehrt – um sich zu bedanken, berichtet die Tageszeitung Alto Adige.

„Wir sind gekommen, um uns bei den Ärzten und Krankenpflegern in der Neurochirurgie zu bedanken, die sich um Chloe gekümmert haben und ihr in einem besonders schweren Moment nahestanden“, erklärt ihr 35-jähriger Lebensgefährte Antonello Vigna, der aus den Marken stammt.

Hoffungsstrahl

Der Unfall hat das Leben der jungen Australierin komplett umgekrempelt, die mittlerweile völlig andere Prioritäten setzt. Doch am 13. Juni im vergangenen Jahr ist ihre Tochter Aurora zur Welt gekommen – und markierte wie ein kleines Wunder einen neuen Abschnitt im Leben der Familie.

Wie das Licht, das nach einer langen Phase der Dunkelheit das Leben wieder erhellt, empfand Chloe Kennedy die Geburt ihres Kindes. Nach dem schweren Unfall in Sexten war die junge Frau in Bozen drei äußerst delikaten neurochirurgischen Eingriffen unterzogen worden.

Bei dem Sturz hatte sie schwere Verletzungen an der Wirbelsäule davongetragen. Seitdem kann sie sich nur mehr im Rollstuhl fortbewegen.

Um sich die Operationen in Bozen leisten zu können, war in ihrer Heimat in Australien eine Spendenkampagne ins Leben gerufen worden. Damals befand sich die junge Frau noch immer auf der Intensivstation.

Ihr Lebensgefährte Antonello Vigna war in diesem düsteren Moment bei ihr – ebenso wie ihre Mutter und ihre drei Schwestern, die eigens aus Australien eingetroffen waren.

Eine Kämpferin

„Sie ist jemand, der niemals aufgibt. Sie glaubt nicht daran, den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen zu müssen. Es gibt verschiedene Apparaturen auf experimentellem Niveau, die an der Universität getestet werden. Chloe ist entschlossen, sie auszuprobieren“, erklärte ihr Lebensgefährte. Angesichts der Fortschritte, die Medizin und Technik in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, scheint der Traum kein Ding der Unmöglichkeit.

Der Fernsehsender Channel 7 widmet der Geschichte von Chloe einen eigenen Beitrag, der mit dem Skiunfall beginnt. Die junge Australierin war so begeistert von Italien, dass sie sich im Jahr 2016 dazu entschloss, ihre Arbeit beim Roten Kreuz aufzugeben und ohne ihren Freund ein Sabbatjahr in der Toskana zu verbringen, wo sie einen Kurs an der „Accademia Riaci“ in Florenz zu belegte. Ihr italienischer Freund lebt seit 2011 in Sidney.

Bis Februar hat sie anschießend ein Praktikum in einem Restaurant absolviert. Vor dem Heimflug im April war dann als krönender Abschluss noch ein Skiurlaub in Norwegen geplant. Doch dann kam alles anders.

Der Urlaub fand am Helm im Pustertal ein abruptes Ende, wo sie mit einem Bekannten aus dem Cadore-Tal beim Skifahren war.

Zu gern hätte Chloe das Nordlicht im Norden Europas einmal in ihrem Leben gesehen. Doch dazu ist es bislang noch nie gekommen. Auch aus diesem Grund hat sie ihre Tochter Aurora genannt. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.

Das Wiedersehen

Nun sind Chloe und Antonello wieder nach Südtirol zurückgekommen, nachdem die beiden Verwandte in den Marken besucht hatten und nachdem ihre Tochter Aurora in Loreto getauft worden war.

In Bozen hat Chloe den Neurochirurgen Antonio Ria besucht, der sie gemeinsam mit Ärzten aus seinem Team operiert hat, um die Schäden an der Wirbelsäule in Grenzen zu halten,und sich bedankt. Die Australierin hat auch die Krankenschwestern umarmt, die ihr nahestaden und sich um sie Tag und Nacht kümmerten, als sie nach an die Maschinen angeschlossen war. „Für mich war es ein sehr emotionaler Augenblick wieder hier zu sein“, sagt Chloe laut Alto Adige.

Sie und ihr Lebensgefährte wollten außerdem den Obermaresciallo Gandellino Bucci wieder treffen, der gemeinsam mit Michael Fischnaller, einem weiteren Carabiniere als erster am Unfallort am Helm eingetroffen war.

Chloe war damals auf der Piste gelegen – unfähig, sich zu rühren. Auch mit den Carabinieri gab es eine Umarmung und ein Erinnerungsfoto – und das Paar bedanke sich für das prompte Einschreiten der Rettungskräfte.

50 Kilometer von den Buschbränden entfernt

Dann ging es weiter nach Cadore zu Angelo, dem Bekannten, der sie damals auf die Piste begleitet hatte. „Es war keine Wut da für das, was passiert ist“, erklärt der Lebensgefährte von Chloe laut Alto Adige. Das Leben halte schöne und schlimme Dinge bereit. „Wichtig ist, dass man immer das halbvolle Glas sieht – auch in schwierigen Momenten.“

Anfang nächster Woche geht es wieder zurück nach Australien. „Wir leben rund 50 Kilometer von den Buschbränden. Die Situation ist dort nicht gerade leicht“, fügt Antonello Vigna hinzu. Zu Hause wird Chloe wieder ihre Therapie aufnehmen. Denn Aufgeben steht für sie nicht zur Debatte.

Von: mk

Bezirk: Bozen, Pustertal