Von: mk
Trotz Mutationen verliert das Coronavirus offenbar an Kraft. Forscher glauben, darin ein Muster zu erkennen, und wagen eine Prognose, die Hoffnung schöpfen lässt, berichtet n-tv.
Seit sechs Wochen in Folge gehen die weltweiten Infektionen massiv zurück. Den offiziellen Zahlen zufolge hatte die globale Pandemie in der zweiten Januarwoche ihren Höhepunkt erreicht. Laut den offiziellen Daten infizierten sich damals mehr als 700.000 Menschen pro Tag. Nur sechs Wochen später liegen die Zahlen bei 350.000 und sind damit nur mehr halb so hoch.
Obwohl in den meisten Ländern inzwischen Mutationen das Infektionsgeschehen prägen und die strengen Lockdowns zum Teil wieder gelockert werden, ist die Tendenz auf allen Erdteilen feststellbar – mit Ausnahme des östlichen Mittelmeerraums. Auch die Zahl der Personen, die an oder mit Corona verstorben sind, hat sich binnen eines Monats im Schnitt halbiert. Seit Ausbruch der Pandemie werden weltweit erstmals rückläufige Todeszahlen registriert.
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus warnt zwar: “Das Feuer ist noch nicht aus, und wenn wir es nicht weiter bekämpfen, kommt es lodernd zurück.” Doch in Analysen und Kommentaren der WHO hört man immer wieder, dass die jüngste Entwicklung “sehr ermutigend” sei und “eine Wende” darstelle.
Der europäische WHO-Regionaldirektor Hans Henri Kluge aus Belgien verkündete im dänischen Staatssender DR sogar, dass die Coronavirus-Pandemie schon in wenigen Monaten überwunden sei. Er prophezeit: Die schlimmsten Szenarien seien vorüber.
“Es wird weiterhin ein Virus geben, aber ich glaube nicht, dass Einschränkungen nötig sein werden. Das ist eine optimistische Aussage”, erklärte Kluge.
Auch die Mutationen bereiten ihm offenbar nicht allzu große Sorgen. Mutationen seien “normal” und sie würden nicht dazu führen, dass das Virus außer Kontrolle gerate, betonte Kluge. Tatsache ist: In Ländern, wo Mutationen eine hohe Inzidenz erreichen, fallen die Ansteckungsraten ebenso stark wie anderswo. In Südafrika wurde etwa ein Rückgang um 33 Prozent binnen einer Woche verzeichnet.
Dass die Impfungen für das massive Sinken der Infektionszahlen verantwortlich sind, gilt als unwahrscheinlich. Immerhin ist bis jetzt nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung geimpft.
Drei mögliche Ursachen
Den Schätzungen der Experten zufolge gibt es drei Hauptgründe für den plötzlichen Einbruch: Erstens zeigen in vielen Ländern die Vorsichts- und Hygienemaßnahmen ihre Wirkung. Zweitens gebe es zusehends Regionen mit fortgeschrittener Immunisierung der Bevölkerung, wie etwa in den USA, in Schweden und Brasilien. Dort könnte sich ein großer Teil der Bevölkerung bereits einmal angesteckt haben, wodurch die weitere Ausbreitung der Krankheit gebremst wird. Drittens könnten Mutationen dazu führen, dass das Virus nicht nur ansteckender, sondern auch harmloser wird.
Evolutionstechnisch betrachtet, ist es für einen Erreger einerseits zwar vorteilhafter, wenn möglichst viele Menschen rasch infiziert werden. Andererseits ist es für ihn auch günstiger, wenn die Symptome nicht allzu schwerwiegend ausfallen. Stirbt der Wirt, ist nämlich auch das Ende des Erregers besiegelt.
Mutiert sich das Virus selbst zugrunde?
Auch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Pandemien durch Mutationen enden, die weniger pathogen als ihre Vorfahren sind. Darauf verweist etwa der Epidemiologe Klaus Stöhr, der das Global-Influenza-Programm der WHO geleitet hatte und dort auch Sars-Forschungskoordinator war.
Die Asiatische Grippe, jene Influenza-Pandemie im Jahr 1957, die zwei bis vier Millionen Tote gefordert hat, ist nach diesem Muster ebenso schnell zusammengebrochen, wie sie sich aufgebäumt hatte. Dasselbe gilt für die Hongkong-Grippe im Jahr 1968, der eins bis drei Millionen Menschenleben zum Opfer gefallen sind.
Auch die Spanische Grippe von 1918/19, die mehr als 50 Millionen Tote gefordert hat, war in ihrer zweiten Welle am tödlichsten und kurz nach der dritten relativ rasch vorbei. Verschwunden ist sie allerdings nie: Das H1N1-Virus gibt es bis heute, es ist aber meist zur “normalen” Influenza abgeschwächt.
Das bedeutet, dass Mutationen in der Regel der Anfang vom Ende einer Pandemie sind.
Hoffnung keimt auf
Das renommierte Fachmagazin “Science” publizierte eine Studie von US-Forschern der Universitäten in Atlanta und Pennsylvania unter Leitung der Biologin Jennie Lavine, die voraussagt, dass das Coronavirus bald “endemisch” werde. Damit ist gemeint, dass sich das Virus nur mehr örtlich begrenzt weiter verbreitet und dadurch in absehbarer Zeit seinen Schrecken verliert. Die globale Impfkampagne werde diesen erfreulichen Prozess beschleunigen, rechnen die Forscher.
Auch der Virologe Friedemann Weber von der Universität Gießen prognostiziert: “Schon das Frühjahr 2021 sollte spürbar unbeschwerter sein, der Sommer schon fast wieder normal und der Herbst so gut wie normal.”