Von: ka
Bozen – Die jüngsten Enthüllungen, wonach sich mehrere Bedienstete des Südtiroler Sanitätsbetriebs die Zweisprachigkeitsnachweise erschlichen hätten, sowie die Vorschläge der Landesräte Marco Galateo und Christian Bianchi zur Zweisprachigkeitspflicht führten zu den erwarteten scharfen Reaktionen.
Die Kritik reichte vom ASGB – „Wer die Zweisprachigkeitspflicht infrage stellt, stellt das Fundament unseres Zusammenlebens infrage“ – bis zum Hinweis, dass die Zweisprachigkeit „nicht bloß eine gesetzliche Vorgabe, sondern eine zentrale Grundlage für eine patientenzentrierte Gesundheitsversorgung“ sei.
Alles schön und gut, aber in den Krankenhäusern ist es ein offenes Geheimnis, dass einige Sprachzertifikate fragwürdiger Herkunft sind und viele nicht glücklich darüber sind, dass der Schwindel aufgeflogen ist. Der Hintergrund ist, dass die Zweisprachigkeitspflicht aus Patientensicht und für den Minderheitenschutz von großer Wichtigkeit ist, für den Südtiroler Arbeitsmarkt jedoch einen Wettbewerbsnachteil darstellt.
Der gesetzliche Rahmen der Zweisprachigkeitspflicht wurde vor Jahrzehnten geschaffen, als Arbeitssuchende vor den Krankenhaustoren Schlange standen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Seit europa- und weltweit händeringend nach Ärzten, Pflegekräften und anderen Mitarbeitern der Gesundheitsberufe gesucht wird, überlegen viele, ob sie sich die Hürde eines Zweisprachigkeitsnachweises antun wollen. Das gilt umso mehr, wenn die Südtiroler Sanitätsmitarbeiter in spe bedenken, dass ihre Gehalts- und Karriereaussichten im Vergleich zu dieser Hürde eher bescheiden sind. Auf Arbeitssuchende aus dem Süden oder Norden, die jeweils große Probleme mit Deutsch beziehungsweise Italienisch haben, oder auf rückkehrwillige Auslandssüdtiroler, deren Italienisch verblasst ist, wirkt die Zweisprachigkeitspflicht ohnehin wie eine hohe Barriere.
Der Verweis auf Ideale und Pflichten mag seine Berechtigung haben, dabei wird jedoch vergessen, dass auf länderübergreifender Ebene Angebot und Nachfrage viel „brutaler” wirken als es Gesetze, die nur in einer Provinz gelten, je könnten.
Wenn das Land bei der „Jagd nach Gesundheitsfachkräften“ erfolgreich sein will, wird es kaum darum herumkommen, entweder die Zweisprachigkeitspflicht weiter zu „flexibilisieren“ oder Mehrsprachigkeit besser zu honorieren. Denn die Abwanderung von Fachkräften im Gesundheitsbereich oder der fehlende Nachwuchs wird sich unweigerlich auf die Wartezeiten und die Versorgung der Bevölkerung niederschlagen. Es ist eben „Patentino-Freud und -Leid“.
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