Von: APA/dpa
Medikamente, die das Abnehmen erleichtern, gelten als großes Heilsversprechen. Doch nach dem Absetzen einiger Wirkstoffe geht es einer Studie zufolge recht rasch wieder in die andere Richtung. Menschen, die die Wirkstoffe erhielten, nahmen während der Therapie erheblich Gewicht ab – was sogar für ein paar Wochen nach dem Absetzen der Medikamente noch in kleinerem Maße andauern konnte, berichtete ein Team um Han Wu und Wenjia Yang vom Peking University People’s Hospital.
Aber ab Woche acht nach Therapieende folgte den Forschern zufolge eine deutliche Gewichtszunahme, die viele Wochen anhalte. Das Ausmaß der Zunahme ist nach Studienangaben zwar je nach Medikament und Lebensstilveränderung unterschiedlich stark, es gebe aber einen deutlichen Trend zur Gewichtszunahme nach Abschluss der Medikamenteneinnahme.
Deutliche Zunahme nach Absetzen der Medikamente
Damit bestätigen sich nach Ansicht von Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des Verbunds Katholischer Kliniken in Düsseldorf, bereits vorliegende Erkenntnisse. Auch einige Hersteller hätten dies selbst durch randomisierte Studien nachgewiesen, berichtete der Experte, der nicht an den ausgewerteten Studien beteiligt war. Dafür erhielten etwa Probandinnen und Probanden zehn Wochen lang die Wirkstoffe, danach ein Teil nur noch ein Placebo. Diese Gruppe “hat dann kontinuierlich wieder zugenommen”, sagte Martin.
Auch in der aktuellen Studie verweisen die Forscherinnen und Forscher aus Peking beispielsweise auf eine Untersuchung, wonach Menschen, die eine 36-wöchige Behandlung mit dem Arzneistoff Tirzepatid (GLP-1-RA) abgeschlossen hatten, ein Jahr nach der Umstellung auf ein Placebo rund die Hälfte des zuvor verlorenen Gewichts wieder zugenommen haben.
Effekte mehrerer Wirkstoffgruppen untersucht
Für die nun veröffentlichte Metaanalyse wurden die Ergebnisse von elf unabhängigen Studien aus der ganzen Welt zusammengefasst – unter anderem zum Arzneistoff Orlistat, den Kombinationen Naltrexon/Bupropion und Phentermin/Topiramat sowie zur Wirkstoffgruppe GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Die Daten stammen von insgesamt 1.574 Menschen in Behandlungs- und 893 in Kontrollgruppen.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) sind zum Beispiel in den gefragten Medikamenten Wegovy und Ozempic enthalten. Sie sind vielfach gegen Diabetes 2 und manche Fälle von Übergewicht zugelassen – und sie sind bekannt als Lifestyle-Präparate für eine schlanke Figur. Die Wirkstoffe, die regelmäßig injiziert werden, verlängern vor allem die Verweildauer der Nahrung im Verdauungstrakt und erhöhen so das Sättigungsgefühl. Zu den Nebenwirkungen zählen Magen-Darm-Beschwerden.
Mehr Zunahme nach zuvor starkem Gewichtsverlust
Ein Aspekt in der Untersuchung fällt auf: Wer in der Therapie zunächst einen starken Gewichtsverlust hatte, nimmt laut den Daten hinterher stärker wieder zu – selbst wenn die Patienten dann an einem Programm teilnahmen, um ihren Lebensstil, etwa Ess- und Bewegungsverhalten, zu verändern.
“Das überrascht mich nicht”, sagt Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Ähnliches erlebten zum Beispiel Menschen, die eine stark kalorienreduzierte Diät einhalten. Auch sie nehmen nach deren Ende stärker wieder zu als etwa Menschen, die eine moderate Kalorieneinschränkung durchlaufen würden. Allerdings schränkt die Expertin ein, dass es für diesen Aspekt der Untersuchung nur wenige Teilnehmende gab.
“Man braucht diese Therapie permanent”
“Die Ergebnisse der Studie legen eigentlich nahe, dass zur Gewichtsstabilisierung eine längerfristige, vielleicht sogar lebenslange Einnahme erforderlich sein könnte”, schlussfolgerte Hilbert. Auch Diabetologe Martin betonte: “Es ist eine Dauertherapie.” Wer glaube, er könne mit dieser Therapie abnehmen und dann sei die Welt in Ordnung, der irre. “Man braucht diese Therapie permanent.”
Zahlen aus den USA ließen aber die Befürchtung zu, dass dies vielen nicht bewusst sei oder von ihnen in Kauf genommen werde, erläuterte Martin. So hätten dort Untersuchungen zufolge zwei Drittel der gegen Adipositas behandelten Menschen, meist Selbstzahler, im Laufe eines Jahres damit wieder aufgehört. “Wir wissen nicht warum: Vielleicht wird es zu teuer, vielleicht haben sie genug Gewicht abgenommen und glauben, dass sich das jetzt hält”, sagte der Chefarzt für Diabetologie, der für mehr Prävention statt Behandlung der Folgen plädiert.
Die Kosten sind auch ein Thema etwa in Deutschland: “Die Behandlung mit GLP-1-RA kostet einige Hundert Euro pro Monat, etwa 23 Prozent unserer Bevölkerung haben Adipositas”, erläuterte Hilbert, die ebenfalls für Übergewichtsprävention wirbt. “Rechnet man durch, was es kosten würde, allen Betroffenen dauerhaft Zugang zu diesen Medikamenten zu ermöglichen, zeigt sich, wie schwierig das zu finanzieren wäre.” Die bekanntesten Hersteller von Abnehm-Medikamenten sind der US-Konzern Eli Lilly und das dänische Unternehmen Novo Nordisk.
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