Von: lup
Laut Medienberichten und eigenen Äußerungen auf seiner Internetseite hat der St. Pöltner Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz die Absicht, den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler und Außenminister Leopold Figl in den Stand der „Seligen“ erheben zu lassen. Aus diesem Anlass hat der „Südtiroler Heimatbund“ einen „Offenen Brief“ an den Bischof gerichtet.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bischof!
Den Medien und der Internetseite Ihrer Diözese entnehmen wir, dass Sie den Seligsprechungsprozess für den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler und Außenminister Leopold Figl eingeleitet haben. Wir Südtiroler haben in mehreren Jahrzehnten unsere Erfahrungen mit Politikern gemacht und warnen davor, diese religiös verehren zu lassen.
Auch Leopold Figl hatte verschiedene Seiten, die nicht alle positiv zu werten sind. In der Zeit des austrofaschistischen Ständestaates war der Direktor des „Reichsbauernbundes“ Leopold Figl zugleich Gauführer der „Ostmärkischen Sturmscharen“ in Niederösterreich. Die „Sturmscharen“ waren eine schwer bewaffnete christlichsoziale Bürgerkriegstruppe, die auch rassistisch antisemitisch ausgerichtet war.
Wie das österreichische Magazin „PROFIL“ vom 14. Mai 2015 berichtete, beschossen die „Ostmärkischen“ Sturmscharen im Bürgerkrieg des Jahres 1934 die Arbeiterwohnungen in den Gemeindebauten am Gaudenzdorfer Gürtel in Wien-Meidling. „Sturmschärler“ fungierten in der Folge auch als Bewacher im Anhaltelager Wöllersdorf. (Siehe: „Schuschniggs Sturmschar“, in: „Der Standard“ vom 23. April 2004)
Unter dem NS-Regime wurde Figl dann selbst ins Konzentrationslager eingesperrt, machte eine schlimme Zeit mit und wurde schwer misshandelt. Nach dem Krieg begann seine neuerliche politische Karriere als Parteiobmann der ÖVP und Bundeskanzler der Republik Österreich.
Er blieb leider seinem alten Gedankengut treu. Das „PROFIL“ vom 14. Mai 2015 berichtete darüber: Er versammelte „am 25. Juli 1945 ehemalige Dollfuß-Mitarbeiter in seiner Wohnung, um an dessen elftem Todestag des Putsch-Kanzlers zu gedenken. ‚Wir bleiben treu‘, schreibt man danach ins Gästebuch.“
Über Figls Einstellung gegenüber jüdischen NS-Opfern berichtete das „PROFIL“: „Leopold Figl wird in seiner ersten Amtszeit als Kanzler immer wieder mit jüdischen Restitutionsforderungen konfrontiert, stets vorgetragen von der amerikanischen Besatzungsmacht. Figl ist selbst ein Opfer, vielleicht fehlt es ihm gerade deshalb an Empathie. Als etwa im Jänner 1947 wieder einmal eine Forderung im Ministerrat diskutiert wird, meint er: ‚Die Juden wollen halt rasch reiche Leute werden. Die Österreicher sind nicht so geschäftstüchtig.‘“
Zu Figls Verhalten in der Südtirol-Frage gibt es Einiges anzumerken: In der Zeit des Austrofaschismus hatte die Wiener Regierung Südtirol der Freundschaft mit dem faschistischen Regime in Rom geopfert. Figl setzte diese Politik fort, die nun den Interessen der Westmächte diente, welche die Politik Roms unterstützten, um Italien rasch in das westliche Militärbündnis einbinden zu können.
Die aus ehemaligen KZ-Gefangenen und politischen Häftlingen gebildete ÖVP-Kameradschaft „Bund demokratischer Freiheitskämpfer Österreichs“ verfolgte eine andere Linie und übermittelte am 31. Mai 1946 dem Bundeskanzler eine Resolution, in welcher die „Wiedergutmachung des 1919 an Österreich verschuldeten Unrechts, begangen durch die Widerrechtliche und widernatürliche Lostrennung Südtirols und des Canaltales“ verlangt wurde.
Figl ignorierte diese Initiative seiner ehemaligen Schicksalsgenossen. Vielmehr ließ Figl den italienischen Ministerpräsidenten Degasperi durch einen Vertrauensmann insgeheim darüber informieren, dass die Regierung in Wien sich mit einer Autonomielösung zufrieden geben würde, während offiziell noch die Selbstbestimmung verlangt wurde. Es gab in der Folge mehrere Geheimtreffen Figl-Degasperi, auf denen diese Politik mit Übergehung der Volksvertretung und Regierungsinstanzen abgesprochen und vertieft wurde. Der Öffentlichkeit gegenüber betonte Figl jedoch immer wieder, dass ihm Südtirol ein Herzensanliegen sei.
Im Jahre 1956, als Italien seine Entnationalisierungspolitik in Südtirol hemmungslos auf die Spitze trieb, löste der Außenminister Figl eine Welle der Empörung in Österreich und Südtirol aus, als er bei einem Staatsbesuch in Rom erklärte, dass das was Österreich von Italien trenne „unendlich geringfügig“ sei „gegenüber dem, was uns eint.“ (Siehe: „Dolomiten“ vom 17. März 1956)
Sehr geehrter Herr Bischof! Wir wissen, dass Politiker auch oft unter Druck und Zwang gegen ihr eigenes Gewissen handeln. Bitte erheben sie eine umstrittene Person wie Leopold Figl aber nicht auf das Verehrungspodest eines „Seligen“. Er war ein vielfach irrender Mensch mit guten und schlechten Seiten. Seine Verehrung würden zumindest hier bei uns in Tirol viele Gläubige nicht verstehen. Und bitte präsentieren Sie keine übernatürlichen „Wunder“, welcher dieser Mann bewirkt haben soll!
Mit vorzüglicher Hochachtung!
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)