Von: mk
Bozen – Seit 5. März 2020 besteht ein Netzwerk für psychische Hilfe in der Coronakrise. Der Einsatzleitung von PSYHELP Covid gehören Vertreter der Notfallpsychologie, der psychologischen Dienste, der Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie und der Dienste für Abhängigkeitserkrankungen genauso an, wie Exponenten der Psychologenkammer, der Europäischen Allianz gegen Depression und des Netzwerks für Suizidprävention. Von Anfang an haben sich die Experten am Notfall orientiert, mit der rund um die Uhr erreichbaren Notfallpsychologie und den psychiatrischen Bereitschaftsdiensten an den vier großen Krankenhäusern.
Die Psychologischen Dienste haben ihre Öffnungszeiten vereinheitlicht und Beratung für die verunsicherte Bevölkerung angeboten. Parallel dazu begleiten und behandeln sie Menschen in Quarantäne, Covid-Erkrankte in den Krankenhäusern, betreuen Mitarbeiter der Gesundheitsdienste und Einsatzkräfte, und letzthin aus der Not heraus verstärkt auch die Teams, die in Seniorenwohnheimen arbeiten. Die entsprechenden Anfragen haben sich im Verhältnis zum Vorjahr verdreifacht.
Psychiatrische und Suchtdienste betreuen ihre Patienten möglichst engagiert seit dem Beginn des Lockdown telefonisch und seit Kurzem auch wieder mit persönlichen Kontakten, die therapeutisch viel wirkungsvoller sind. Dabei haben wir in Phase eins auch Erstvisiten, Krankschreibungen und Versorgung mit Rezepten über das Internet durchgeführt. Telefonische und Videotherapien sind viel schwieriger und aufwendiger als direkte Gespräche, haben aber in der Phase eins auch deutlich mehr Sicherheit vermittelt.
Der Zusammenschluss aus inzwischen 15 Diensten des Gesundheitswesens und 20 privaten sozialen Organisationen zu PSYHELP hat zur raschen Entstehung der Website dubistnichtallein (non sei solo/sola) geführt, die zu verschiedenen typischen Situationen in der Krise jeweils drei Verhaltensempfehlungen beisteuert, aber auch auf rasche professionelle Hilfe und auf das gesamte Netzwerk der Dienste verweist. Eine erste Analyse des federführend beteiligten Forum Prävention ergibt, dass die Seite in der Phase eins der Krise 45.000 Mal aufgerufen wurde, wobei in beiden Sprachen am häufigsten auf die Anliegen „Angst“, „Einsamkeit“, „Erschöpfung“ und „Schlafstörungen“ geklickt wurde. Langeweile, Auseinandersetzungen und Gewalt in der Familie waren hingegen entgegen den Erwartungen nicht so bedeutsam. Das deckte sich nur teilweise mit den klinischen Erfahrungen, dass die Kinderpsychiatrie während des Lockdown in ihrer Aktivität deutlich herunter gefahren war und weniger benötigt wurde, während Gewalt gegen Frauen zunahm und landesweit 17 zusätzliche Frauenhausplätze notwendig wurden.
In Phase zwei der Krise ändern sich die Bedürfnisse. Psychisch Kranke und Suchtkranke fühlen sich weniger im selben Boot wie die Allgemeinbevölkerung. Die vorher von allen geteilten Ängste werden jetzt unterschiedlicher. Man fürchtet weniger um das eigene Leben als um den Arbeitsplatz, fürchtet sich mehr vor Armut, Schulden und sozialem Abstieg. Randgruppen werden jetzt wieder deutlicher an den Rand gedrängt. Die Website dubisnichtallein wird wieder häufiger aufgesucht, PSYHELP hat sie deshalb vor wenigen Tagen etwas umgestaltet, die Situationen Bewegungsmangel und Langeweile ersetzt durch „Stress“, „Zerrissenheit“ und „Verzweiflung“.
Das sind die neuen Herausforderungen und ihre Steigerungsstufen, den Druck der Unsicherheit spürt praktisch jeder. „Wir haben als Erstkontakte öfter die Zentren Psychischer Gesundheit, also die Psychiatrie, neben den Psychologischen Diensten genannt. Auch haben wir unsere Website mit derjenigen des Netzwerks Suizidprävention Südtirol rasch verlinkt. Wie die jüngsten Ereignisse leider beweisen, keinen Augenblick zu früh“, erklären die Experten des Netzwerks.