Der Freispruch für den 39-Jährigen ist rechtskräftig

Toter Bub in Tirol: Freispruch für Vater rechtskräftig

Freitag, 02. August 2024 | 13:04 Uhr

Von: apa

Nach dem Freispruch in einem Mordprozess am Landesgericht Innsbruck für einen 39-Jährigen, dem vorgeworfen worden war, seinen geistig beeinträchtigten Sohn im Sommer 2022 in St. Johann in Tirol in die Kitzbüheler Ache geworfen und dadurch getötet zu haben, verzichtet die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel. Dies bestätigte Staatsanwaltssprecher Hansjörg Mayr am Freitag auf APA-Anfrage. Das von den Geschworenen einstimmig gefällte Urteil war somit rechtskräftig.

Das Urteil des Schwurgerichts sei “klar” ausgefallen, begründete Mayr die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Auch sehe man keinen Hinweis auf Fehler in der Verhandlung und damit keinen Grund für eine Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof (OGH). An dem durch die Geschworenen gefällten Freispruch gebe es somit “nichts zu rütteln”.

Mayr verteidigte sich indes gegenüber dem von der Verteidigung erhobenen Vorwurfs einer zu langen Untersuchungshaft: “Das ist zurückzuweisen, die Untersuchungshaft wurde verhängt aufgrund eines dringenden Tatverdachts”, sagte Mayr dem ORF Tirol. Das sei durch mehrere Instanzen bis hin zum OGH bestätigt worden. “Der dringende Tatverdacht lag also vor. Aber auch wenn jemand in der Untersuchungshaft ist, gilt die Unschuldsvermutung und dass das nicht nur eine leere Floskel ist, zeigt eben nun dieses Geschworenenverfahren”, schlussfolgerte Mayr.

Strafverteidiger Albert Heiss, der den 39-Jährigen gemeinsam mit Mathias Kapferer vertreten hatte, bezeichnete den Rechtsmittelverzicht durch die Staatsanwaltschaft indes gegenüber der APA als “erwartbar”. Das Urteil stütze sich auf den “Wahrspruch” der Geschworenen, der keiner Begründung bedarf. Dementsprechend sei ein Geschworenenurteil in der Schuldfrage nicht anfechtbar. Der OGH würde im Falle einer Nichtigkeitsbeschwerde nur “rechtliche Mängel” überprüfen und nicht in der Sache urteilen.

Ein zivilrechtliches Vorgehen, wie am Vortag unmittelbar nach Prozessende von ihm ins Spiel gebracht, sei nach wie vor offen. Ein solches würde sich gegen die Republik richten und könnte sich auf Fehler vom Ermittlern bzw. der Kriminalpolizei stützen, die eine falsche Beurteilung der Sachlage nach sich gezogen hätten. Kapferer hatte am Vortag von einer “persönlichen Fehde von Ermittlern” gegen seinen Mandanten gesprochen. Heiss hatte mit diesem seit Prozessende indes noch keinen Kontakt – der Mann benötige Zeit, das Erlebte und insbesondere die eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft zu verarbeiten. Man werde sich voraussichtlich kommende Woche zusammensetzen und über das weitere Vorgehen beraten.

Jedenfalls werde man Anträge auf Haftentschädigung sowie Verteidigerkostenersatz stellen – auch wenn die zu erwartenden Summen die entstandenen Kosten nur zu einem “Bruchteil” abdecken würden. Das gesamte Verfahren und die dreitägige Verhandlung seien auch für die Verteidiger eine “enorme Belastung” gewesen, betonte Heiss: “Ich muss mich jetzt einmal erholen und gehe in die Natur.”

Katja Tersch, Leiterin des Tiroler Landeskriminalamts (LKA), hielt indes auf APA-Anfrage eine Wiederaufnahme der Ermittlungen für möglich: “Wenn es etwas Neues gibt.” Der Stand, der am Donnerstag verhandelt worden war, sei indes der aktuelle Ermittlungsstand gewesen. Weitere Schritte würden jedenfalls in Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erfolgen. Der Vater des Buben hatte im Zuge des Prozesses erneut von einem unbekannten Angreifer gesprochen und einen Mann mit Kapuze beschrieben, der ihm während seines nächtlichen Spazierganges in der Tatnacht aufgefallen war. Die Verteidiger wiederum verwiesen auf nicht zuordenbare Spuren bzw. Hinweise, denen aus ihrer Sicht nicht ausreichend nachgegangen worden war.

Am Ende des drei Tage dauernden Mordprozesses gegen den Deutschen hatten die acht Geschworenen den 39-Jährigen am Donnerstag für nicht schuldig gehalten, den Buben getötet und anschließend einen Raubüberfall vorgetäuscht zu haben. Die Staatsanwaltschaft – vertreten durch Joachim Wüstner – hatte Überforderung aufgrund der Behinderung des Buben als Motiv angenommen und Indizien für die Planung des vorgetäuschten Raubüberfalls geortet. So habe der Vater die Tötung des Buben verschleiern wollen. Der Vater beteuerte dagegen im Prozess teils emotional sehr bewegt die Liebe zu seinem Sohn und führte, was dessen Gesundheit betraf, Fortschritte des Buben ins Treffen, um einem möglichen Motiv entgegenzutreten.

Mit den einstimmigen Freisprüchen hinsichtlich des Verdachts des Mordes und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach nur eineinhalb Stunden Beratung und dem nunmehrigen Rechtsmittelverzicht fand ein unter großem Medieninteresse verfolgter Prozess seinen Schlusspunkt. Der 39-Jährige hörte unter Tränen den Wahrspruch der Geschworenen, der von Besuchern mit Applaus quittiert wurde. Der Deutsche verließ im Anschluss den Gerichtssaal als freier Mann.

Der nunmehr Freigesprochene hatte die vorgeworfene Tat stets vehement bestritten und war bei der Darstellung geblieben, dass er in jener Nacht auf einer Promenade neben der Ache Opfer eines Raubüberfalls wurde und von einem Unbekannten mit einer Flasche ohnmächtig geschlagen worden sei. Der zu dem Zeitpunkt sechsjährige Bub soll dann selbstständig aus dem Kinderwagen gestiegen, in die Ache gestürzt und ertrunken sein. Nach monatelangen, intensiven Ermittlungen hatte sich jedoch keine heiße Spur nach dem angeblichen Räuber herauskristallisiert. Deshalb geriet der 39-Jährige ins Visier und wurde schließlich am 27. Februar 2023 festgenommen. Seitdem saß er in Untersuchungshaft – bis zu seinem letztlichen Freispruch durch das Schwurgericht.

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