Gepantschter Sprit wohl auch in Südtirol gelandet

Dieselschmuggel: Handschellen klickten weitere Male

Dienstag, 25. Oktober 2016 | 11:11 Uhr

Von: mk

Bozen – Staatsanwalt Markus Mayr hatte es vergangene Woche bereits angekündigt. Die Ermittlungen im Fall des groß angelegten Treibstoffschmuggels von Nordeuropa nach Italien werden weitergehen.

Heute wurden im Rahmen dieser Ermittlungen in Italien weitere Festnahmen vorgenommen.

Seit den frühen Morgenstunden sind 80 Beamte der Zollbehörde und 50 Carabinieri im Einsatz. Sie nehmen im Auftrag des Bozner Staatsanwalts Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen in den Provinzen Rom, Mailand, Neapel, Verona, Lecce und Brindisi vor.

Für mehrere Personen klickten die Handschellen. Sie werden laut Medienberichten in Untersuchungshaft überstellt.

Gepantschten Treibstoff im Wert von sechs Millionen Euro soll der Schmugglerring von Nordeuropa nach Italien geschmuggelt haben. Dem Fiskus entstand dadurch ein Schaden durch nicht bezahlte Akzisen auf den Sprit von rund drei Millionen Euro.

WAS BISHER BERICHTET WURDE (20.10.2016)

Ihnen wird Diesel-Schmuggel im großen Stil vorgeworfen. Für drei der mutmaßlichen Täter klickten gestern – wie berichtet – nach monatelangen Ermittlungen der Zollbehörde und der Carabinieri von Bozen die Handschellen.

Treibstoff im Wert von sechs Millionen Euro sollen sie von Nordeuropa nach Italien geschmuggelt haben. Dem Fiskus entstand dadurch ein Schaden durch nicht bezahlte Akzisen auf den Sprit von rund drei Millionen Euro. Doch da die Ermittlungen noch andauern, könnte sich diese Summe noch erhöhen.

Heute hat Staatsanwalt Markus Mayr auf einer Pressekonferenz am Bozner Gericht mehr Details und Hintergründe zu den Ermittlungen den Medienvertretern preisgegeben.

Dabei stellte er klar, dass es in Sachen Treibstoffschmuggel derzeit Hunderte Ermittlungen im Gange seien und dies kein neues Phänomen sei. Er geht davon aus, dass rund ein Drittel des Treibstoffs in Italien aus illegalen Quellen stammt.

In diesem konkreten Fall sei Dieselkraftstoff in Deutschland und Tschechien mit anderen Substanzen – wie Rostschutzmitteln oder Zusätzen – vermischt und als Reinigungsmittel oder Mineralölprodukt deklariert nach Italien importiert worden.

Da die angegebenen Stoffe nicht der Mineralölsteuer unterliegen, konnten sie ungehindert eingeführt werden.

Doch die Ermittler kamen dem Schmugglerring dennoch auf die Schliche. Durch Überwachungen – auch mit GPS – konnten die Bewegungen der Tanklaster und der verdächtigen Personen nachgezeichnet werden. Außerdem – und das war das Ziel der Ermittler – wurde festgestellt, dass die Produkte am Ende bei den Autofahrern im Tank landeten.

In einer länderübergreifenden gemeinsamen Ermittlungsgruppe mit dem Namen „Pietro“ arbeiteten Deutschland, Italien und Tschechien vorbildlich zusammen, wie heute Staatsanwalt Markus Mayr betonte. Es war die erste Ermittlung dieser Art in vier Ländern.

Am 19. Oktober schlugen die Fahnder zeitgleich zu. Dabei wurden mindestens 40 Objekte auch in Osteuropa durchsucht, Vermögen beschlagnahmt und allein in Italien drei Personen verhaftet. Vier weitere Male klickten die Handschellen in Deutschland und gegen weitere Verdächtige aus Deutschland, Italien und Tschechien laufen Ermittlungen.

Wie Staatsanwalt Mayr heute erklärte, wurde der Dieselkraftstoff mit anderen Stoffen vermischt und auf 70 Prozent Reinheit gedrückt. Dieser gepantschte Treibstoff landete dann in Italien in den großen Verteilerzentren und letztendlich beim Autofahrer im Tank – wohl auch in Südtirol

Der Kunde an der Zapfsäule bezahlt für den gestreckten Sprit gleich viel wie für normalen Diesel. Ein klarer Nachteil für ihn, da er durch den minderwertigen Treibstoff womöglich negative Auswirkungen auf Motor und Filter hat.

Die Gewinne durch die nicht bezahlten Steuern blieben hingegen beim Schmugglerring hängen. Italien eigne sich für diese Form des Schmuggels besonders gut, da hierzulande die Steuern auf Benzin und Diesel relativ hoch seien und dadurch auch die Gewinnspanne der Kriminellen entsprechend groß sei, so Staatsanwalt Mayr auf der heutigen Pressekonferenz.

 

WAS BISHER BERICHTET WURDE (19.10.2016)

In den frühen Morgenstunden haben die Carabinieri von Bozen und Brixen zugeschlagen. Drei Personen wurden aufgrund eines Vollstreckungsbefehls, der vom Ermittlungsrichter auf Antrag des stellvertretenden Staatsanwaltes Markus Mayr ausgestellt worden war, in Untersuchungshaft überstellt. Gleichzeitig wurden 24 Wohnungen durchsucht. Bei der Angelegenheit handelt es sich um keine Kleinigkeit. Die Betroffenen werden verdächtigt, Teil einer kriminellen Vereinigung von Schmugglern zu sein.

 

Zugriffe der Ordnungshüter erfolgten auch in den Provinzen Mailand, Monza und Brianza, Verona, Neapel, Rom und Lecce. Im Einsatz waren insgesamt 80 Beamte der Agentur für Zoll und Monopole der interprovinziellen Einheit in Bozen in Zusammenarbeit mit den Carabinieri und dem Fahndungsdienst der jeweils zuständigen Zolldirektion unter Aufsicht der nationalen Zentrale. 50 Carabinieri des Bozner Landeskommandos waren an der Operation beteiligt.

Ähnliche Operationen wurden auch in Deutschland durchgeführt, wo die Justizbehörden von Rostock vier Personen ins Gefängnis in Untersuchungshaft überstellen ließen. Im Einsatz waren Beamte des Zollamts von Hamburg. Durchsuchungen fanden auch in Tschechien, in der Slowakei, in Polen und in Ungarn statt.

Bis zu den heutigen Eilverfahren hatten die unterschiedlichen internationalen Behörden in enger Abstimmung gemeinsam die Ermittlungen durchgeführt.

Die Untersuchung startete im Jahr 2015, wobei den Polizeibehörden mehrere Transporte von Nordeuropa nach Verona, Mailand, Lecce und Caserta aufgefallen waren. Mittels abgehörter Telefongespräche, der Beschattung von Verdächtigen, GPS-Analysen der Bewegungen von Fahrzeugen und der Auswertung von Informationen, die zum Teil auch von ausländischen Polizeibehörden stammten, war es möglich, dem internationalen Betrug im Detail auf die Schliche zu kommen.

Nach Italien wurden Treibstoffe importiert – ohne die nötige Verbrauchs- und Mehrwertsteuer zu entrichten. Dabei wurde der Treibstoff als Ware „getarnt“, die keiner Versteuerungspflicht unterliegt. Die Fahrer hatten einen einfachen Ladebrief bei sich.

Die Laster, die von den Norden in den Süden reisten, transportierten als Zusatzstoffe oder Rostschutzmittel klassifizierte Produkte illegal nach Italien. Die Flüssigkeiten wurden anschließend in der Nacht umgeladen und in italienischen Tanklastwagen mit geringen Mengen an Diesel vermischt. Anschließend zirkulierten die Stoffe mit falschen Unterlagen in ganz Italien als “von der Akzise befreiter Treibstoff” und wurden bei gewerblichen Lagerhäusern und vermutlich auch bei Zapfsäulen als Heiz- oder Treibstoff verkauft.

Der Schaden, der dem Fiskus durch die entgangene Mehrwertsteuer entstanden ist, soll rund drei Millionen Euro ausmachen. Insgesamt wird aber damit gerechnet, dass mindestens sechs Millionen an Steuern hinterzogen worden. Da die Ermittlungen unter dem Decknamen “Pietro” noch laufen und da die Stoffe weit verteilt wurden, könnte sich die Zahl noch erhöhen.

Am Mittwochvormittag wurden Treibstoffdepots, Tankstellen, Büros und Wohnungen durchsucht. Neben verschiedenen Unterlagen wurden auch Behälter, die mutmaßlich geschmuggeltes Dieselöl enthielten, beschlagnahmt.

Bezirk: Bozen