Experten geben Tipps

Wie unsere Psyche einen Lockdown besser verkraftet

Mittwoch, 11. November 2020 | 08:17 Uhr

Bozen – Ein erneuter Lockdown kündigt sich an, mehr als 8.000 Menschen sind in Südtirol in Quarantäne, die Enge wird erneut zum Problem. Psychologenkammer, Forum Prävention und Sanitätsbetrieb haben sich mit rund 30 weiteren Organisationen zum Netzwerk PSYHELP zusammengeschlossen und Empfehlungen für günstiges Verhalten entwickelt.

Ausgangsbeschränkung und Quarantäne sind ungewohnte Lebenssituationen für die wir keine gewohnten Verhaltensmuster haben. Wir müssen eine enorme Anpassungsleistung erbringen, um mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen. All das kann schnell zu einer massiven Belastungsprobe für Körper und Psyche werden. Belastung bedeutet Stress. Sind wir gestresst, wird unser Immunsystem geschwächt.

Es gibt wissenschaftlich erforschte und bewährte Verhaltensmaßnahmen und mentale Strategien, die es ermöglichen, diese Ausnahmesituation gut zu meistern.

Die Psychologenkammer Bozen hat mit dem Forum Prävention und dem Südtiroler Sanitätsbetrieb im Rahmen des landesweiten Hilfsnetzwerkes Psyhelp Covid 19 Empfehlungen für günstiges Verhalten entwickelt. Diese Tipps ersetzen jedoch kein professionelles Hilfsangebot.

Konsumiert Medien bewusst und gezielt!

Verlässliche Informationsquellen vermindern Stress. Vermeidet zwanghafte Suche nach Informationen und schützt euch sich vor „die auf uns einprasselnden“ neuen Nachrichten. Haltet euch nur an zuverlässige Quellen und leitet nur zuverlässige Informationen weiter. So gewinnt ihr die Informationen, welche für eure Sicherheit notwendig sind und schützt euch gleichzeitig vor einem ununterbrochenen „Fluss“ aus beängstigenden Meldungen.

Bewahrt eure Tagesstruktur und plant euren Tag!

Versucht auch in dieser Ausnahmesituation so weit möglich in eurem gewohnten Ablauf zu bleiben. Das gibt Sicherheit und Struktur. Steht zu gewohnten Zeiten auf, erledigt zunächst eure Aufgaben, um dann Freizeit zu haben. Auch sollte man zu üblichen Zeiten essen und zu Bett gehen. Das ist vor allem für Kinder sehr wichtig. Plant euer Handeln, dies beugt Kontrollverlust und Hilflosigkeit vor. Durch geplantes Handeln hat man das Gefühl, einer Situation nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern diese aktiv zu gestalten.

Bleibt im Kontakt!

Es ist wichtig mittels Telefon, Chats und Videotelefonie weiterhin regelmäßige soziale Kontakte zu pflegen. Verbundenheit mit der Familie oder dem Freundeskreis gibt Halt. Sorgen zu teilen hilft in Krisensituationen. Das Thema COVID-19 sollte aber nicht das ganze Gespräch bestimmen. Es gilt, auf das Gegenüber zu achten, um zu erkennen, welche Themen guttun. Augenkontakt reduziert Stresshormone, deswegen sollte man nach Möglichkeit nicht allein unter Quarantäne stehen. Auch Videoanrufe können helfen.

Verhaltet euch bei Lagerkoller und Streit lösungsorientiert!

In derartigen Extremsituationen kann es auch zu Konflikten kommen – zum sogenannten Lagerkoller. Bevor die Lage eskaliert, sollte man die Notbremse ziehen, indem man sich nicht gegenseitig beleidigt oder anschweigt, sondern den Konflikt anerkennt und versteht, dass die aktuelle Situation ein schlechter Kontext ist, um ihn auszudiskutieren. Im Idealfall legt man den Streit bei, um sich später in geordnetem Rahmen damit zu befassen. Einigt euch auf kurzfristige vorläufige räumliche Trennung, auf spätere Wiederannäherung, auf gemeinsame Tätigkeiten. Schafft euch aber auch Rückzugsmöglichkeiten.

Atmet durch und bewegt euch!

Sich körperlich zu betätigen hilft, Stress und Belastung abzubauen, und wirkt sich, wissenschaftlich nachgewiesen, positiv auf unsere Psyche aus. Sport ist auch auf engem Raum möglich: Videos im Internet liefern Anregungen und Trainingsprogramme. Auch Entspannungsübungen sind ein guter erster Schritt für unsere Psyche. Wer entspannt ist, sieht Dinge klarer. Stress und negative Emotionen werden besser verarbeitet, wenn wir zur Ruhe kommen. Auch im Internet findet man Anleitungen für Entspannungsübungen.

Tut Dinge, die ihr gern tut und die euch gut tun!

Geht Aktivitäten nach, von denen ihr wisst, dass sie euch guttun. Lesen, Gartenarbeit, ein Bad nehmen, gut Essen und noch viel mehr. Erledigt Dinge, für die ihr sonst nie Zeit habt und führt bewusst positive Aktivitäten durch. Ihr wissen am besten, was euch Freude macht.

Aktiviert eure Ressourcen!

Sucht euch Dinge, die euch Mut machen: z.B. Sätze, die euch selbst und die Familie beruhigen und euch Sicherheit geben, wie: „Zusammen schaffen wir das!“ Sagt euch die eigenen Stärken laut vor. In Krisensituationen wird das Augenmerk oft automatisch auf Ängste und das, was nicht funktioniert, gelenkt. Um dabei immer wieder einen Ausgleich im psychischen Befinden herzustellen, ist es notwendig, ganz bewusst das Gute, Gelingende und die eigenen Stärken in den Blick zu nehmen, zu denken, auszusprechen, auch vor anderen zu loben. Selbstlob duftet.

Pflegt euren Humor!

Humor ist ein starkes Mittel gegen Hoffnungslosigkeit. Lächeln und Lachen bringen oft Erleichterung.

Von: mk

Bezirk: Bozen