Von: ka
Bozen – Im Frühjahr wurde den Südtirolern der härteste Lockdown seit dem Zweiten Weltkrieg auferlegt.
Angesichts der Gefährlichkeit des Virus, der Bilder aus den Krankenhäusern und der Trauer um die Opfer war aber den meisten Bürgern des Landls bewusst, dass dies eine absolut notwendige Maßnahme war. Damals – und es ist nur wenige Monate her – war auch die Bereitschaft groß, zusammenzuhalten und die schwierige Zeit gemeinsam durchzustehen. Um die breite Stimmung, sich nicht unterkriegen zu lassen, zu unterstreichen, wurde nach dem italienischen Vorbild an den Fenstern und auf den Balkonen sogar gesungen und musiziert. Zugleich wurden jene Berufsgruppen – von den Ärzten über den Krankenpflegern bis hin zu den Supermarktangestellten – die in der Lockdown-Zeit an vorderster Front standen, als Helden angesehen.
Im November ist alles anders. Das erneute „Eingesperrtsein“ und die Sorgen um die eigene Zukunft vergiften die Stimmung und lassen viele Südtiroler zornig auf die eigene Heimat und auf die Welt blicken. Die toxische Mischung aus Frust, dem Virus nicht entkommen zu können, aus Zorn und aus der schieren Verzweiflung, dieses Jahr das Einkommen und vielleicht sogar den Arbeitsplatz zu verlieren, entlädt sich in den sozialen Netzwerken an „Die da oben“, von denen viele Südtiroler glauben, dass sie die Hauptschuld an der Corona-Misere tragen.
Vom Zusammenhalt ist nur mehr wenig zu spüren. Die Tatsache, dass einige besser und finanziell abgesicherter durch die Corona-Notlage kommen, während andere im Stillen darben müssen, führt zu allem Unglück nun sogar oft dazu, dass die Südtiroler – zum Glück nur verbal – übereinander herfallen. Hier müssen der Staat und das Land in die Pflicht genommen werden, Bereiche, die besonders unter den Corona-bedingten wirtschaftlichen Ausfällen leiden, kräftig und zeitnah unter die Arme zu greifen.
Wohlgemerkt, bei uns herrschen noch nicht Zustände wie in den großen italienischen Metropolen, in denen sich nachts Verzweifelte und Gewaltbereite zusammenrotten, um sich mit den Ordnungskräften Straßenkämpfe zu liefern. Andererseits müssen auch unsere politischen Verantwortlichen die Ängste und den Zorn der Südtiroler ernst nehmen und entsprechend handeln.
Zugleich müssen die Südtiroler aber verstehen, dass Zwietracht es nur noch schlimmer macht, dass die Notlage drastische Einschränkungen erfordert, und nur die Bereitschaft, zusammenzuhalten und füreinander einzustehen, uns aus der größten Krise seit dem Jahr 1945 führen wird.