Ein Kanzler muss Farbe bekennen – ein Kommentar.

Zu Kurz gedacht

Freitag, 29. Dezember 2017 | 22:30 Uhr

Bozen – Die eigentlich politikfreie Zeit zwischen den Jahren hindert Österreich und Italien nicht daran, sich wegen unterschiedlicher Ansichten in der Flüchtlingsfrage zu duellieren. Während der soeben erst gekürte Kanzler Kurz von Fehlentwicklungen in der EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik spricht, die Verteilung der Flüchtlinge ablehnt und die Union dazu auffordert, den Menschen möglichst in der Nähe der Krisengebiete zu helfen, zählt Italiens scheidender Ministerpräsident Gentiloni die Erfolge seiner Flüchtlingspolitik auf.

Dabei strich Gentiloni süffisant Italiens militärisches Engagement hervor und fügte hinzu, dass er nun militärische Ausbilder in den Niger entsenden wolle. Auf besonders scharfe Kritik stieß in Italien das Ansinnen Österreichs, aus der Verteilungspolitik auszusteigen.

Reuters

Genau genommen macht aber Italien und die EU bereits das, was Kurz fordert: In Libyen und anderen Staaten und Nachbarn von Krisengebieten wird bereits den Flüchtlingen geholfen. Es wird alles darangesetzt, Schlepperei und eine Weiterreise der Flüchtlinge zu verhindern, was angesichts politisch instabiler und gescheiterter Staaten am EU-Saum alles andere als leicht ist. Es ist schlicht und einfach Heuchelei, wenn Kurz nun im Chor von Subventionsempfängern und Handaufhaltern, die weder solidarisch eine Quote von Flüchtlingen übernehmen noch sich am Rand der EU militärisch engagieren wollen, nun Forderungen stellt.

Kanzler Kurz meint, die EU solle „den Menschen in ihren Herkunftsländern helfen und für sie vielleicht auch Gebiete auf ihren Kontinenten sichern“. Ob er und seine östlichen Freunde dann auch Farbe bekennen, Truppen für die EU für Einsätze im Mittelmeer, im Irak und im Niger zur Verfügung stellen werden? Ob die nun in geringerer Anzahl ankommenden Flüchtlinge auch im Osten aufgenommen werden?

Es ist richtig, dass wie von Österreich gefordert, die EU alle Staaten als gleichwertig ansieht. Das heißt aber auch, dass alle Staaten hinter gemeinsamen Beschlüssen stehen, Solidarität üben und notfalls auch an gemeinsamen militärischen Operationen teilnehmen müssen.

Da hat der neue Kanzler wohl zu Kurz gedacht.

Von: ka

Bezirk: Bozen