Von: ka
Turin – Die piemontesische Metropole Turin war Schauplatz eines schrecklichen Femizids, der viele Fragen aufwirft. Obwohl er nach der Anzeige seiner Ex-Frau Roua Nabi einem gerichtlichen Annäherungsverbot Folge leisten und zu diesem Zweck seit August ein elektronisches Armband tragen musste, suchte Ben Alaya Abdelkader die frühere gemeinsame Wohnung auf und stach seine Ex-Frau vor den Augen der gemeinsamen Kinder nieder.
Für die Mutter eines Buben und eines Mädchens kam jede Hilfe zu spät. Kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus erlag sie ihren schweren Stichverletzungen. Da es keinen Alarm geschlagen hat, besteht der Verdacht, dass das elektronische Armband versagt haben könnte. Auf der anderen Seite stehen Maßnahmen wie die Verhängung von Annäherungsverboten, die durch elektronische Armbänder kontrolliert werden, immer öfter in der Kritik. Diesen Kritikern zufolge werde den Opfern durch die elektronischen Armbänder eine “Sicherheit” vorgegaukelt, die in Wirklichkeit nicht existiere.
L'ennesimo #femminicidio. A #Torino, un uomo ha ucciso a coltellate l'ex moglie davanti ai figli. Quello di 13 anni lo ha inseguito e fatto arrestare. Il 48enne aveva il braccialetto elettronico e il divieto di avvicinamento.#Tg1 Elena Fusai
Posted by Tg1 on Tuesday, September 24, 2024
Der Femizid geschah den letzten Erkenntnissen zufolge am späten Montagabend gegen 23.30 Uhr. Nachdem Nachbarn einen gewalttätigen Familienstreit gemeldet hatten, drangen die Carabinieri kurz vor Mitternacht in die Wohnung von Roua Nabi ein. Als sie die Carabinieribeamten fanden, war die 35-jährige Frau tunesischer Herkunft, die sich erst kürzlich von ihrem Mann, dem 48-jährigen Ben Alaya Abdelkader, getrennt hatte, noch am Leben.
Allerdings vermochte der zusammen mit den Carabinieri eingetroffene Notarzt trotz aller Bemühungen, ihr Leben nicht mehr zu retten. Kurz nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus erlag sie ihren schweren Stichverletzungen, die ihr der Mörder mit einem Küchenmesser zugefügt hatte. Ben Alaya Abdelkader versuchte zu flüchten, konnte jedoch kurze Zeit nach der Tat von den Carabinieri gestellt und verhaftet werden.
Ben Alaya Abdelkader, der als Bauarbeiter angestellt war und eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung besaß, ist für die Justiz kein Unbekannter. Nachdem er von Roua Nabi wegen häuslicher Gewalt angezeigt worden war, musste er einem gerichtlichen Annäherungsverbot Folge leisten und zu diesem Zweck seit August ein elektronisches Armband tragen. Ihm war es verboten, sich allen Orten nähern, an denen sich seine Frau aufhielt.
Eigentlich hätte das elektronische Armband den Ordnungskräften die verbotene Annäherung seines Trägers melden sollen, was aber vermutlich von einer Fehlfunktion des Geräts verhindert wurde. Dies wird von der Zeugenaussage eines Nachbarn bekräftigt, der den 48-Jährigen bereits am Montagnachmittag gegen 18.30 Uhr gesehen hat.
Die beiden Kinder im Alter von zwölf und dreizehn Jahren, die den Mord an ihrer Mutter mitansehen mussten, wurden in eine soziale Einrichtung der Stadtgemeinde untergebracht. Es scheint, dass der zwölfjährige Bub seinem Vater nach der Messerstecherei kurz gefolgt ist, während seine kleine Schwester den Nachbarn um Hilfe gebeten hat. “Früher oder später musste es passieren. Die Streitigkeiten sind immer häufiger geworden, worüber wir auch unseren Verwalter unterrichtet haben”, so eine Nachbarin.
Auch in der Mittelschule, die von den beiden Kindern des Paares besucht wird, hat man das gewalttätige Verhalten des Vaters bereits bemerkt. “Er war sehr besitzergreifend, vor allem gegenüber dem kleinen Mädchen. Er kontrollierte sie und einmal, es war in diesem Frühjahr, versuchte er, sie zu schlagen. Er schien außer Kontrolle zu sein. Ihr Vater beschuldigte sie, eine Jacke verloren zu haben, die er ihr geschenkt hatte, und zu spät nach Hause gekommen zu sein. Ich war gezwungen, dazwischenzugehen. Mit ihrem Bruder hingegen hatte er nie Probleme”, berichtet die Hausmeisterin der Schule.
Ben Alaya Abdelkader streitet den Mord an Roua Nabi ab. Nach Angaben des 48-Jährigen sei es am Montagabend zu einem Streit mit seiner Frau gekommen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung habe sie nach dem Küchenmesser gegriffen, das er ihr jedoch aus der Hand gerissen habe. Dabei sei es laut dem mutmaßlichen Täter zu den tödlichen Stichen gekommen.
Der 48-Jährige bestreitet auch, geflohen zu sein. Um sich zu stellen, habe er eine nahe Carabinieri-Station aufgesucht, die er jedoch geschlossen vorgefunden habe. Just in dem Moment, als er eine Streife der Stadtpolizei angehalten wollte, sei er von den Carabinieri auf der Straße mit blutverschmierter Kleidung gestellt und verhaftet worden.
Seine Aussagen werden derzeit von den Ermittlern geprüft, aber an seiner Darstellung des Tathergangs bestehen große Zweifel. Den Aussagen der beiden Kinder des Paars, die den Mord an ihrer Mutter mitansehen mussten und in den kommenden Tagen im Beisein eines Psychologen angehört werden, kommt daher große Bedeutung zu.
Angesichts der Tatumstände ist es wenig verwunderlich, dass der schreckliche Femizid von Turin erneut die nie ganz verstummte Debatte um Maßnahmen wie Annäherungsverbote und elektronische Armbänder befeuert. Den Kritikern zufolge werde den Opfern durch die elektronischen Armbänder eine “Sicherheit” vorgegaukelt, die in Wirklichkeit nicht existiere. Einerseits – so diese Stimmen – fehle nach dem Anschlagen des vom elektronischen Armband ausgesandten Alarms oft die Zeit, um dem Opfer rechtzeitig beizustehen. Andererseits hingegen scheint, wie im Fall von Turin, die Nutzung dieser Armbänder von Fehlfunktionen nicht gefeit zu sein, was zur vollkommenen Nutzlosigkeit von Annäherungsverboten führe.
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