Tod von Satnam Singh [31] deckt widerliches „Caporalato-Netzwerk“ auf – VIDEO

„Alle wussten, wie illegale Arbeitskräfte angeworben wurden“

Montag, 24. Juni 2024 | 08:00 Uhr

Von: ka

Latina – Nach dem schrecklichen Unfalltod des 31 Jahre alten Inders Satnam Singh wurde bekannt, dass gegen den Inhaber des landwirtschaftlichen Großbetriebs, auf dessen Feldern der junge Inder, seine Frau Alisha und viele ihrer Landleute für einen Stundenlohn von nur vier Euro bis zu 14 Stunden am Tag schuften mussten, bereits seit fünf Jahren wegen „illegaler Vermittlung und Ausbeutung von Arbeitskräften“ ermittelt wird.

Wie die Carabinieri herausfanden, werden die riesigen landwirtschaftlichen Flächen der Pontinischen Ebene von einem „Caporalato-Netzwerk“ beherrscht, das mithilfe von Scheinfirmen und korrupten Beamten illegale Arbeitskräfte anwirbt, um den bäuerlichen Großbetrieben billige Tagelöhner anzubieten.

Die Tragödie des Todes von Satnam Singh wirft ein Licht auf ein seit Jahren erprobtes kriminelles System, das einer ganzen Reihe von landwirtschaftlichen Großbetrieben dazu dient, unter Umgehung des Bossi-Fini-Gesetzes billige ausländische Arbeitskräfte anwerben. Sowohl den mehr als 30.000 Sikh-Indern, die in der Provinz Latina auf den Feldern schuften, als auch den Justizbehörden, die dem widerlichen Phänomen schon seit Jahren nachforschen, ist die Existenz dieses „Caporalato-Netzwerks“ bekannt. Dies zeigt sich beispielsweise an den Ermittlungen wegen „illegaler Vermittlung und Ausbeutung von Arbeitskräften“ gegen den Vater des Beschuldigten, Renzo Lovato, die bereits seit dem Jahr 2019 laufen.

ANSA/Satnam Singh.

Unter Umgehung des Bossi-Fini-Gesetzes und unter Missbrauch der verschiedenen Arbeitsdekrete, die die Quoten für die Einreise von ausländischen Arbeitnehmern regeln, gelingt es dem kriminellen Netzwerk, das laut den Ermittlungsbehörden in dieser oder ähnlicher Form bereits seit Jahrzehnten tätig ist, über Phantomfirmen Tausende von billigen Arbeitskräften scheinbar legal nach Italien zu schleusen. Wie die ermittelnden Carabinieri von Latina herausfanden, geschieht dies oftmals unter wohlwollender Teilhabe zuständiger Behörden, die beide Augen zudrücken.

Dieses verbrecherische „Caporalato-Netzwerk“ – mit dem Begriff „Caporalato“ wird die im Süden grassierende Sklavenarbeit in der Landwirtschaft bezeichnet – übernimmt nicht nur die Reisekosten der Migranten, sondern kümmert sich auch darum, sie nach ihrer Ankunft in Italien zu betreuen, unterzubringen und sie den verschiedenen landwirtschaftlichen Großbetrieben der Pontinischen Ebene als billige Tagelöhner zuzuführen. Diesen „Service“ lässt sich die Organisation bereits vor der Reise nach Italien teuer bezahlen. Um einen ihrer Angehörigen nach Italien schicken zu können, müssen die entsprechenden Familien als „Vorschuss“ mehrere Tausend Euro hinblättern, wofür sie sich für viele Jahre verschulden.

ANSA / Stringer

In Italien angekommen, nehmen die „Caporali“, die wie ihre Opfer zumeist Inder sind, den Arbeitsmigranten alle Papiere ab, wodurch die Tagelöhner zum Vorteil der Verbrecher in völlige Abhängigkeit des „Caporalato-Netzwerks“ und der Großbauern geraten: Da sie furchtbare Angst haben, dass sie als illegale Einwanderer ausgewiesen werden und ihre Familien auf den Schulden sitzen bleiben, sind sie bereit, für Stundenlöhne von vier bis fünf Euro bis zu 14 Stunden am Tag zu arbeiten. Eine andere Methode ist, sie für ein halbes Jahr als landwirtschaftliche Arbeiter anzustellen und sie dann zu entlassen. Anschließend sind sie dann gezwungen, auf den Melonenfeldern als „Arbeitssklaven“ zu schuften. „Alle wussten, wie illegale Arbeitskräfte angeworben wurden“, so das Fazit eines Ermittlers.

Quattordici ore al giorno nei campi sotto il sole per poche decine di euro. Dopo la morte di #Satnam Singh il viaggio del #Tg1 nell'Agropontino tra i braccianti che lavorano in nero e senza le minime norme di sicurezza. E sono oltre 500 le vittime sul lavoro dall'inizio di quest'anno.Leonardo Zellino

Posted by Tg1 on Saturday, June 22, 2024

Dieser widerliche Sachverhalt erklärt auch, warum sowohl die „Caporali“, die ihre indischen Tagelöhner „betreuen“, als auch der landwirtschaftliche Unternehmer alles Interesse hatten, den schrecklichen Arbeitsunfall von Satnam Singh zu vertuschen. Von der italienischen Nachrichtensendung TG1 der RAI zum grausamen Tod des 31-jährigen Inders interviewt, bezeichnete der Mann den Tod von Satnam Singh als „bedauerlich“, fügte aber hinzu, dass „seine Unvorsichtigkeit alle in Schwierigkeiten gebracht hätte“.

Da sein Sohn, der 38-jährige Antonello Lovato, anstatt sofort die Rettungskräfte zu verständigen, den schwer verletzten Inder zusammen mit seiner Frau einfach vor dessen Haus auf der Straße ausgesetzt hatte, leitete die zuständige Staatsanwaltschaft von Latina gegen ihn Ermittlungen wegen Totschlags, unterlassener Hilfeleistung und Missachtung von Arbeitssicherheitsvorschriften ein. Zu diesen schweren Anschuldigungen könnte bald der Tatbestand der Ausbeutung illegal beschäftigter Migranten hinzukommen.

Die Aussage eines indischen Zeugen belastet ihn sehr. „Herr Lovato war nicht in Angst. Er nahm sich die Zeit, die Maschine auszuschalten, Satnam in den Lieferwagen zu laden und ihn vor seinem Haus auf die Straße zu setzten. Er ging duschen, wusch den Lieferwagen und verständigte zwei Anwälte. Satnams Frau hingegen hatte ihn angefleht, ihn ins Krankenhaus zu bringen“, so der Inder gegenüber den Carabinieri.

Nun besteht die Hoffnung, nicht nur alle, die für den Tod des jungen Inders mitverantwortlich sind, zur Verantwortung zu ziehen, sondern das ganze kriminelle Netzwerk auszuheben. Zu diesem Zweck erhielt Satnams Frau Alisha eine Aufenthaltsgenehmigung aus gerichtlichen Gründen.