Siziliens Angst vor den „Coronavirus-Flüchtlingen“ - VIDEO

Coronavirus: „Ich mache die Meerenge dicht, sollen sie mich doch verhaften“

Dienstag, 24. März 2020 | 07:12 Uhr

Messina – Trotz des Verbots der römischen Regierung, die Wohnsitzgemeinde zu verlassen, stieg kurz nach Bekanntwerden des Dekrets des Ministerpräsidenten, mit dem die Bewegungsfreiheit der Bürger weiter drastisch eingeschränkt wurde, der Fährverkehr in der Straße von Messina stark an. Wenig überraschend brachte die Flut von „Coronavirus-Flüchtlingen“ die führenden Politiker Siziliens in Rage. Auf der Insel, die von der Coronavirusepidemie bisher „nur“ gestreift wurde, ist die Angst groß, von der vom Festland kommenden Masse von Flüchtenden im wahrsten Sinne des Wortes angesteckt zu werden.

Auf Sizilien scheint man bisher recht gut durch die Coronavirusepidemie zu kommen. Während aus der Lombardei täglich Tausende von Neuansteckungen und Hunderte von Toten gemeldet werden, wurden auf der Mittelmeerinsel bisher insgesamt lediglich 721 Covid-19-positiv getestete Personen und „nur“ dreizehn Todesopfer registriert, was gerade im Vergleich zu den über fünf Millionen Einwohnern Siziliens erstaunlich niedrige Zahlen sind. Auf Sizilien hoffte man bisher, auch in Zukunft vom einigermaßen isolierten Status als Insel profitieren zu können und mit der verschärften Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Sizilianer der wenig vorhandenen Epidemie Herr zu werden.

Zum Leidwesen der Sizilianer bekamen diese Hoffnungen am Wochenende einen gehörigen Dämpfer. Kurz nach dem Bekanntwerden des die Bewegungsfreiheit der Menschen weiter einschränkenden Dekrets der römischen Regierung stiegen viele Italiener samt ihrer Familien in ihre voll beladenen Autos, um noch vor dem totalen Stillstand auf die Insel zu gelangen. Noch in der Nacht bildeten sich an der Fähranlegestelle in Villa San Giovanni in Kalabrien kilometerlange Staus. Auch in den folgenden Stunden hielt der Andrang an den Fähren nach Sizilien unvermindert an. Die „offensichtlich unerlaubten Überfahrten“ – eigentlich ist die Reise über die Meerenge von Messina laut den Bestimmungen der Regierung nur mehr Pendlern oder sonstigen Personengruppen wie Polizei- und Militärangehörigen sowie Gesundheitspersonal erlaubt – brachten die führenden Politiker Siziliens in Rage.

„Sollten Minister, die außerstande dazu sind, die eigenen Verordnungen durchzusetzen, nicht zurücktreten?“, fragt sich der zutiefst erzürnte Bürgermeister von Messina, Cateno De Luca. Im selben Atemzug kündigte der erste Bürger von Messina an, notfalls selbst für die Schließung der Meerenge zu sorgen. „Ich mache die Meerenge dicht, sollen sie mich doch verhaften“, so Cateno De Luca.

I MINISTRI CHE NON RIESCO A FAR RISPETTARE LE PROPRIE ORDINANZE NON DOVREBBERO DIMETTERSI ?Si continua con la logica…

Pubblicato da De Luca Sindaco di Messina su Domenica 22 marzo 2020

Genauso wie Cateno De Luca fragen sich auch viele Sizilianer, wie es denn möglich sei, dass in ganz Italien die Bürger nicht mehr ihre vier Wände verlassen dürfen, während gleichzeitig an den Fähranlegestellen Zustände wie im Hochsommer herrschen. Der Bürgermeister von Messina und der Präsident von Sizilien, Nello Musumeci, verlangten nach den ersten Hinweisen, nach denen angeblich viele Personen „unbehelligt“ Sizilien erreichen würden, von der Regierung umgehend eine Verstärkung der Kontrollen.

Die Präfektur von Messina versicherte wenige Stunden später Musumeci, die Überwachungsmaßnahmen in der Straße von Messina weiter zu verstärken. Auch Kalabrien, das gleich wie Sizilien bisher ebenfalls von der Coronavirusepidemie relativ verschont blieb, sicherte zu, an den eigenen „Grenzen“ die Kontrollen zu verstärken. Die Wirkung blieb nicht aus. Am Montag kehrte in der Meerenge wieder Ruhe ein.

Mi segnalano appena adesso che a #Messina stanno sbarcando dalla Calabria molte persone non autorizzate. Non è possibile…

Pubblicato da Nello Musumeci su Domenica 22 marzo 2020

Das Tauziehen an der Meerenge von Sizilien verdeutlicht einmal mehr, wie gerade im Süden die Nerven blank liegen. In Süditalien ist die Angst groß, sich über den Zug- und Autoverkehr „lombardische Zustände“ einzuhandeln. Sollte die Coronavirusepidemie im Süden massiv an Fahrt aufnehmen, machen sich die Süditaliener kaum Illusionen. Angesichts der weniger leistungsfähigen Gesundheitsfürsorge würden Zahlen von Neuansteckungen wie in der Lombardei in den südlichen Regionen schnell zu einer Katastrophe führen, die vermutlich selbst die traurigen Zustände in Bergamo in den Schatten stellen würde. Daher ist es das unbedingte Ziel der Verantwortlichen im Süden, eine Ansteckung aus dem Norden zu verhindern.

Von: ka