Auf Intensivstation liegender „Patient eins“ Symbol des Widerstands

Coronavirus: „Mattia darf nicht sterben“

Montag, 02. März 2020 | 08:23 Uhr

Von: ka

Pavia – Während in Italien die Zahl der Infizierten die Tausendermarke längst überschritten hat und dem Coronavirus bisher 34 Menschen zum Opfer gefallen sind, schwebt der sogenannte „Patient eins“ – jener 38-Jährige, der sich vermutlich Ende Januar bei einem Essen mit einem aus China heimkehrenden Mann angesteckt hat und seitdem als Ausgangspunkt des Infektionsherdes von Codogno gilt – immer noch in Lebensgefahr. Um den 38-jährigen Mann, der auf der Intensivstation liegt und bald Vater wird, kümmert sich eine umfangreiche Equipe von Ärzten und Pflegekräften. Von ihm erhoffen sich die Mediziner neue Erkenntnisse über die Krankheit. Inzwischen sind der Überlebenskampf des 38-Jährigen und die Bemühungen der Ärzte aber längst auch zum Symbol für den Widerstand eines ganzen Landes gegen die Coronavirus-Epidemie geworden.

Die Poliklinik „San Matteo“ von Pavia befindet sich im Kampf gegen die Covid-19 an vorderster Front. Neben rund hundert Coronavirus-Patienten, die zum heutigen Zeitpunkt in der Klinik behandelt werden, liegt auch der sogenannte „Patient eins“, Mattia, im „San Matteo“. Heute glauben die Experten, dass sich Mattia beim Essen mit dem mutmaßlichen „Patienten Null“ – ein Kollege, der vor Kurzem aus China heimgekehrt war – angesteckt hat. Der sportlich als Läufer aktive 38-Jährige gilt den Medizinern zufolge als Ausgangspunkt des Infektionsherdes von Codogno.

ANSA/ MAURIZIO MAULE/ FOTOGRAMMA

Seit seiner Einlieferung vor zehn Tagen liegt Mattia auf der Intensivstation des Krankenhauses „San Matteo“ von Pavia. Seine ebenfalls vom Coronavirus infizierte Frau Valentina, die in rund einem Monat das erste Kind des Paares zur Welt bringen wird, wird hingegen im Krankenhaus „Sacco“ von Mailand behandelt. Während aber seine 36-jährige, hochschwangere Frau hoffnungsvoll in die Zukunft blicken darf, bereitet der Zustand von Mattia große Sorge. „Ich weiß, dass ich keine wissenschaftliche Aussage treffe, aber um einen unbekannten Feind zu besiegen, brauchen wir auch das Zusammentreffen mehrerer glücklicher Zufälle. Wünscht uns Ärzten und Wissenschaftlern viel Glück“, erklärt der 53-jährige Raffaele Bruno, der die Equipe von Ärzten und Pflegekräftenleitet, die sich um Mattia kümmern, gegenüber „La Repubblica“.

Mattia, der sich auf der Intensivstation in einem eigenen Raum befindet, ist nicht nur aufgrund seines Status als „Patient eins“ ein besonderer Krankheitsfall. Während alle bisherigen am Coronavirus Verstorbenen alte und gebrechliche Menschen gewesen sind, die bereits an schweren Krankheiten gelitten haben, fällt der 38-Jährige aus diesem Rahmen. Mattia ist bis zum Ausbruch der Krankheit ein junger, vollkommen gesunder und sportlich sehr aktiver Mann gewesen, der für seinen Läuferclub „Gruppo Podistico Codogno ’82“ eine Vielzahl von Amateurrennen bestritten hat. Ihn und die anderen Erkrankten zu retten, ist aber nicht nur ein moralisches Muss. Gerade vom Krankheitsverlauf in einem jungen Patienten erhoffen sich die Mediziner neue Erkenntnisse über den Coronavirus.

Tutti noi del GP CODOGNO ’82 (il presidente Carlo Benuzzi, il direttivo e tutta la grande famiglia), come avrete…

Pubblicato da Gruppo Podistico Codogno '82 su Sabato 22 febbraio 2020

„Er bleibt sediert, bewusstlos und intubiert, weil er nicht aus eigener Kraft atmen kann. Das Problem aber ist, dass wir den Verlauf der Infektion nicht voraussehen können. Während andere Patienten bereits geheilt sind, bessert sich sein Zustand vom ersten Moment an kaum. Die Unvorhersehbarkeit ist leider ein Kennzeichen von unbekannten Viren“, schildert Raffaele Bruno.

Neue Viren erfordern auch neue Therapien. „Wir verabreichen ihm ein Cocktail von Medikamenten, die gegen HIV, Hepatitis C und gegen Ebola verwendet werden. Im Cocktail befindet sich auch Ribavirin. In-vitro-Experimente haben gezeigt, dass dieser Cocktail von Medikamenten das Wachstum der Viren hemmt. In China und Südkorea ist dieser Medikamentenmix bereits erfolgreich an Patienten getestet worden. In Hunderten von Fällen sind laut Ärzten und Wissenschaftlern nicht nur leichte, sondern auch schwere Fälle geheilt worden“, meint Raffaele Bruno.

„Der Coronavirus bewegt sich mit den Menschen. Seine Verbreitung auf dem Globus ist heute schnell und unaufhaltsam. Auch wenn die Lombardei zu den am meisten globalisierten und am dichtesten bevölkerten Regionen Europas gehört, ist es Zufall, dass der erste Infektionsherd des Kontinents die zehn Gemeinden in der Nähe von Lodi sind. Dem „Patient Null“ eine Identität zu geben, hilft, eine soziale Dynamik zu erklären. Uns aber liegt daran, das Epizentrum der Ansteckung einzugrenzen und seine Dynamik zu verstehen“, so der Direktor der Schule für molekulare Virologie, der 56-jährige Fausto Baldanti.

Der Fall von Mattia hat aber längst nicht „nur“ mehr eine wissenschaftliche und medizinische Dimension. Inzwischen sind der Überlebenskampf des 38-Jährigen und die Bemühungen der Ärzte längst zum Symbol für den Widerstand eines ganzen Landes gegen die Coronavirusepidemie geworden.