Steht Kawasaki-Syndrom im Zusammenhang mit dem Coronavirus?

Covid-19: Kinder leiden gehäuft an gefährlicher Gefäßentzündung

Donnerstag, 30. April 2020 | 08:06 Uhr

Rom/Bergamo – Von Bergamo über Genua bis London schlagen Kinderärzte Alarm. Die Pädiater beobachten bei Kindern das vermehrte Auftreten des Kawasaki-Syndroms. Die gefährliche Krankheit, bei der es sich um eine akute, fieberhafte, systemische Erkrankung handelt, die vor allem Kleinkinder befällt, tritt gehäuft in Gebieten auf, die von der Coronapandemie besonders stark getroffen wurden. Viele Kinderärzte hegen mehr als nur einen starken Verdacht, dass die sehr starke Zunahme der Fälle mit der Verbreitung des Coronavirus zusammenhängt.

Bisher dachten die meisten Mediziner, dass Kinder vor schweren Covid-19-Krankheitsverläufen besser geschützt sind als die anderen Altersklassen. Neueste Erkenntnisse nähren aber die Vermutung, dass dies doch nicht der ganzen Wahrheit entspricht. Europaweit beobachten Pädiater bei Kindern das gehäufte Auftreten des sogenannten Kawasaki-Syndroms. Bei der gefährlichen Krankheit, die vor allem Kleinkinder befällt, handelt es sich um eine akute, fieberhafte, systemische Erkrankung, die durch eine Gefäßentzündung der kleinen und mittleren Arterien gekennzeichnet ist. Zusätzlich ist eine systemische Entzündung in vielen Organen vorhanden. Die Ursache ist unbekannt, aber man vermutet eine infektiöse Entstehung, die durch eine erbliche Grundlage begünstigt wird.

Am 21. März wurde im Krankenhaus „Giovanni XXIII“ von Bergamo vom Kinderkardiologen Matteo Ciuffreda bei einem in der Ersten Hilfe eingetroffenen Kind das erste Mal ein Fall von Kawasaki-Syndrom diagnostiziert. Bis Ende April gesellten sich zu diesem weitere 20 Fälle der seltenen Krankheit hinzu. „In einem Monat haben wir gleich viele Fälle von Kawasaki-Syndrom diagnostiziert wie in den vergangenen drei Jahren“, so Lucio Verdoni, der im Krankenhaus von Bergamo als pädiatrischer Rheumatologe tätig ist. Ähnliche Erfahrungen werden im Krankenhaus „Gaslini“ von Genua gemacht. In der Kinderabteilung sind seit den letzten vier Wochen fünf kleine Patienten mit Kawasaki-Syndrom in Behandlung. Sonst werden im ganzen Jahr nur neun Fälle registriert. Auch aus Spanien, Portugal und England berichten Kinderärzte von einer Häufung der sonst seltenen, entzündlichen Erkrankung. Oftmals müssen die betroffenen Patienten intensivmedizinisch behandelt werden.

Der Verdacht liegt sehr nahe, dass zwischen dem Coronavirus und dem Kawasaki-Syndrom ein Zusammenhang besteht. „Wir haben eine Überwachung eingeleitet und damit begonnen, Daten zu sammeln. Die Zahlen zeigen, dass das Kawasaki-Syndrom in einigen Gebieten Italiens, besonders in der Lombardei, im Piemont und in Ligurien, vorkommt“, so der Präsident der italienischen Gesellschaft für Pädiatrie, Alberto Villani. Die Experten präzisieren, dass nur eine sehr kleine Minderheit von weniger als einem Prozent der mit dem Coronavirus angesteckten Kinder ein Kawasaki-Syndrom entwickelt. Nichtsdestotrotz – so Alberto Villani – muss „im Rahmen der Lockerungen der Phase 2 allen Konsequenzen, die auf diesen heimtückischen Virus sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern zurückzuführen sind, Rechnung getragen werden“. Dank der in Bergamo gesammelten Daten wird bald eine medizinwissenschaftliche Studie zum Zusammenhang zwischen Covid-19 und Kawasaki-Syndrom erscheinen. Um dieses Problem im Auge zu behalten wurde an alle Kinderärzte Italiens ein Rundschreiben gerichtet.

Sono stati segnalati casi in Lombardia, Piemonte e Liguria. I bambini arrivano al pronto soccorso con infiammazioni violentissime

Pubblicato da Corriere della Sera su Mercoledì 29 aprile 2020

Das Kawasaki-Syndrom, an dem hauptsächlich Säuglinge und Kinder unter acht Jahren erkranken, ist sehr gefährlich. Die häufigsten Symptome sind Fieber, Bindehautentzündung, Rötung der Lippen und der Mundschleimhaut, Anomalien der Hände und Füße sowie Hautausschläge. Die gefährlichste Komplikation ist eine Entzündung der Herzarterien, die zu dauerhaften aneurysmatischen, also sackartigen Erweiterungen der Herzkranzgefäße führen kann. „Es ist eine Entzündung, die die Koronararterien betrifft und bei Kindern zu Angina führen kann. Zu den Symptomen gehört Fieber, das wahrscheinlich von Viren ausgelöst wird, die eine Entzündung verursachen, die dann die Arterien angreift“ erklärt der Kinderkardiologe Matteo Ciuffreda.

In Italien und generell im Westen gilt das Kawasaki-Syndrom als seltene Krankheit. Im Fernen Osten hingegen tritt sie in einigen Gebieten gehäuft auf, was wahrscheinlich auf das Vorhandensein einiger endemischer Viren zurückzuführen ist, die die Krankheit auslösen können. Dank der Bemühungen der Ärzte konnten in Bergamo alle 20 kleinen Patienten, die bei ihrem Eintritt in das Krankenhaus schwere, entzündliche Krankheitsbilder aufwiesen, mit der vorgesehenen Standardtherapie im Schnitt innerhalb von vier bis fünf Tagen geheilt werden. Nur wenige dieser Kinder waren selbst positiv, aber alle kamen aus Familien mit Covid-19-Kranken.

Kinderärzte in ganz Europa sind alarmiert. Auch wenn die Krankheit bisher nur wenige Kinder zu betreffen scheint, ist die Furcht groß, das Kawasaki-Syndrom zu unterschätzen.

Von: ka